Familienunternehmen waren und sind immer im Wandel. Das hat sie über viele Jahrzehnte und Generationen erfolgreich gemacht. Mehr denn je müssen diese Unternehmen ihre Organisation lebendig halten, um Anpassungen in der Strategie aufzunehmen und den bestmöglichen Nährboden für eine Hochleistungs-Kultur zu schaffen.
Es gibt wahrscheinlich wenig „Management-Weisheiten“, die häufiger zitiert wurden: Die Organisation muss zur Strategie passen. „Structure follows strategy“. Vollkommen richtig! Umgekehrt ist ohne klare Strategie eine effiziente Organisation gar nicht möglich. Aber eine Organisation muss heute weit mehr ermöglichen, sie muss ein wahres Multitalent sein: Sie soll das bereichsübergreifende Zusammenarbeiten von Menschen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen unterstützen. Sie muss gerade heute neben dem Tagesgeschäft auch die effektive Bearbeitung von Projekten zur strategischen und operativen Unternehmensentwicklung ermöglichen. Auch die Strategiearbeit muss organisiert werden!
Sie soll Stabilität und Handlungssicherheit ausstrahlen und gleichzeitig die Flexibilität haben, schnell auf sich verändernde Anforderungen des Marktes reagieren zu können. Die Organisation muss sicherstellen, dass der Kunde immer im Mittelpunkt steht. Und sie muss schließlich die Voraussetzungen schaffen, dass Menschen unabhängig von Ort und Bereichszugehörigkeit optimal zusammenarbeiten und führen bzw. geführt werden können. Gerade Letzteres braucht aber nicht nur ein gedachtes Organisationskonzept, sondern eine passende Unternehmenskultur, in der die Menschen positiv zusammenwirken und damit echte Traktion erzeugen.
Der Publizist Peter E. Schumacher hat es so formuliert: „Wer sich nicht selbst organisiert, dem rückt das Chaos die Möbel.“ Aus unserer Sicht ein gelungenes Bild.
Eines ist dabei aber wichtig: Im Begriff „Organisation“ steckt die griechische Wurzel „organon“, was so viel bedeutet wie „Hilfsmittel, Werkzeug“. Das soll uns daran erinnern, was Organisation wirklich sein soll: Sie soll nicht im Mittelpunkt stehen, sondern Werkzeug sein, ein Hilfsmittel, um Arbeiten und Aufgabenstellungen einfacher, schneller und effizienter lösen zu können. Damit ist die Organisation eines Unternehmens immer Mittel zum Zweck, nie aber der Zweck selbst. Wenn sich also der Zweck des Unternehmens verändert (z.B. durch neue Zielsetzungen), dann müssen sich in der Regel auch die Mittel verändern.
Was ist nun entscheidend für eine wirksame Organisationsentwicklung, die die nachhaltige Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bestmöglich unterstützt, vielleicht sogar erst ermöglicht?
Aus unserer Sicht sind es drei zentrale Elemente: Die Unternehmensarchitektur, ausgedrückt durch das Organisationsmodell, die Führungsstruktur und der permanente Fokus auf die operative Exzellenz des Unternehmens.
Unternehmensarchitektur
Die Architektur, also die „Baukunst“ für das Unternehmen spannt den Rahmen auf, in dem künftig die anfallenden Aufgaben bewältigt werden sollen:
Organisationsdesign: Ein einfaches, maßgeschneidertes Unternehmensdesign schafft die Grundlage für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen, die in der Strategie beschrieben wurden, und vermeidet unnötige Komplexität. Damit ist in erster Linie ein (zunächst grobes) Organisationsmodell gemeint, das aufzeigt, welche Aufgabenstellungen künftig in welchen Bereichen im Unternehmen zu erfüllen sind und wie sie strukturiert werden sollen. Ein solches Modell zeigt ebenso auf, welche Aufgabenstellungen künftig NICHT im Unternehmen ausgeübt, sondern aus dem Netzwerk beschafft werden sollen. Das ist ein sehr zentraler Schritt in jeder Organisations(weiter)entwicklung.
Kompetenzmodell: Die Frage, was ein Unternehmen künftig können muss, um vor allem die Kernkompetenzen der Zukunft zu beherrschen, wird im Kompetenzmodell beantwortet. Hier wird aber auch ersichtlich, was das Unternehmen NICHT können muss oder soll. Dadurch entsteht eine Abgrenzung zum Umfeld, aber häufig auch die Notwendigkeit, in Netzwerken zu denken. Denn nur so können die oft hoch anspruchsvollen Aufgaben von morgen bewältigt werden.
Prozessmodell: Zur Architektur gehört natürlich nicht nur Struktur, sondern auch die Klarheit über die wesentlichen Abläufe im Unternehmen und an seinen Nahtstellen zum Umfeld (Kunden, Lieferanten, andere Partner). Immer häufiger geraten klassisch funktionale Strukturen an ihre Grenzen. So geht es darum, zusammenhängende Aufgaben im Sinne von reibungslosen und schnittstellenfreien End-to-End-Prozessen (Wertschöpfungs- und Informationsflüsse) aufzubauen – vom Kunden zum Kunden, extern wie auch intern. Im Vordergrund steht die Frage: Wofür ist der Kunde bereit zu bezahlen? Nur so lässt sich Komplexität reduzieren und Verschwendung vermeiden.
Führung
Alles ist aber nichts ohne die passende Führungsstruktur und Führungskultur. Nur so wird das gedachte zu einem gelebten Konzept.
Struktur: In der Führungsstruktur werden die relevanten Rollen (inkl. Gremien) mit ihren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten festgelegt.
Regelwerk und Prinzipien: Für ein optimales Zusammenspiel der Rollen in Bezug auf einzelne Geschäftsprozesse und Geschäftsvorfälle wird ein Regelwerk definiert, das über Meetingstrukturen, Informationsflüsse, messbare KPIs und andere Elemente den prozessualen Aspekt der Führung klärt. Gerade künftig wird es dabei immer mehr um Führungsprinzipien als um harte Weisungen gehen, die das Zusammenwirken im Unternehmen erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen.
Team: Last but not least ist es eine, wenn nicht die wichtigste unternehmerische Aufgabe, die Führungsrollen mit den richtigen Menschen zu besetzen.
Operative Exzellenz
Zur dauerhaften Wertsteigerung des Unternehmens muss sich zu den Elementen der Unternehmensarchitektur und der Führung zwingend die Perspektive der operativen Exzellenz gesellen. Das beinhaltet aus unserer Sicht drei wesentliche Aspekte:
Anpassungsfähigkeit: Organisationen haben kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Angesichts sich schnell ändernder Marktbedingungen und Technologien ist es überlebenswichtig, dass das Unternehmen anpassungsfähig ist. Dies bedeutet, dass es in der Lage sein muss, schnell auf Veränderungen zu reagieren, neue Ideen zu implementieren und die Organisation entsprechend anzupassen.
Leistungsfähigkeit: Wann würden Sie ein Unternehmen als leistungsfähig bezeichnen? Aus unserer Sicht ist eine Organisation dann leistungsfähig, wenn es ihr gelingt, sowohl das Tagesgeschäft effizient abzuwickeln („Run the Business“) als auch die strategische Weiterentwicklung und das Aufbauen neuer Geschäftsmodelle wirksam zu unterstützen („Change the Business“). So darf der Effizienzgedanke nicht dazu führen, dass zukunftsrelevante Aufgaben nicht mehr zielgerichtet erfüllt werden können! Der Gedanke der Leistungsfähigkeit ist dabei kein einmaliger, sondern ein Anspruch, der laufend und fortwährend im Fokus stehen muss.
Qualitätssicherung: Das verbindet sich unmittelbar mit der Qualität der erbrachten Leistungen. „Qualität bedeutet, dass der Kunde und nicht die Ware zurückkommt“. So sah es auch schon Henry Ford. Verbunden mit dem Anspruch der operativen Exzellenz bedeutet das nichts weniger als Perfektion. Antoine de Saint-Exupéry brachte es auf den Punkt: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“
Organisationsdesign im Speditionsunternehmen
Ein von uns begleitetes Speditionsunternehmen ist organisch, aber auch durch zahlreiche Zukäufe über die Jahre stark gewachsen und hat unter einer Holding bislang die einzelnen Einheiten „mit langer Leine“ geführt, nicht wirklich integriert und so Doppelstrukturen, einen Flickenteppich an IT-Systemen und vor allem sehr heterogene unternehmerische Interessen zugelassen. Dies in Verbindung mit der Strategie, den Wachstumskurs auch international fortzusetzen, machte nun eine organisatorische Veränderung notwendig. So wurde das Organisationsdesign von Grund auf neu gedacht und in eine Business-Unit-Struktur überführt. Dazu wurden die auch strategisch relevanten neuen Kompetenzen strukturiert und im Prozessmodell abgebildet.
All das hatte erheblichen Einfluss auf die zukünftige Führungsstruktur (Rollen, Gremien), das Regelwerk und die Zusammensetzung des Teams. Schließlich wurden Prozesse implementiert, die diese Transformation nicht nur in der Umsetzung begleiten, sondern permanent die Strukturen und Prozess im Detail weiterentwickeln, um in kurzen Lernzyklen die Leistungsfähigkeit dieser Organisation – unter Wahrung oder weiterer Verbesserung der Qualität – sukzessive zu steigern. Nur so – dies ist die Überzeugung der Inhaber – lässt sich nachhaltig der Wert des Unternehmens steigern und damit die Zukunftsfähigkeit sichern.
Abb.: Weissman Organisations-Kaskade
Fazit
Wir haben in der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Familienunternehmen festgestellt, dass das richtige Zusammenspiel aus Strategie, Organisation und Kultur (S-O-K) entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens ist. Wenn eines der Elemente nicht synchron mit den anderen Themen oder sogar völlig unpassend ist, dann wird ein Unternehmen niemals ambitionierte Ziele erreichen.
So spielt gerade auch die Organisationsentwicklung eine entscheidende Rolle. Nachhaltige Wertsteigerung ist nur dann möglich, wenn das Unternehmen dauerhaft und aktiv an seiner Unternehmensarchitektur, der Führung und der operativen Exzellenz arbeitet.