Bekanntlich stellen Frauen die Hälfte der Bevölkerung und 46,5 % der Erwerbstätigen. Bekannt ist auch: Frauen sind heutzutage sehr gut ausgebildet: 50% der Hochschulabsolventen und 45% der Promovierenden sind weiblich. Diese Verteilung verändert sich allerdings im Beruf massiv: laut Bundeministerium für Wirtschaft und Energie arbeiten in Führungspositionen primär Männer: 88,4% der C4-Professuren werden mit Männern besetzt. Von 185 Aufsichtsräten (DAX, MDAX, SDAX, TecDAX) haben nur sechs eine Frau.
„Frauenberufe“ sind schlechter bezahlt
Interessant ist es, die sogenannte Lohnlücke zu betrachten. Die „Gender Pay Gap“ ist in ihrer Berechnung in der Europäischen Union geregelt: sie beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von angestellten Männern und Frauen. Offiziell gibt es eine Lücke von 21%! Was für ein Wert! Dahinter steht die These, dass Frauen systematisch über alle Branchen und Positionen hinweg schlechter entlohnt werden.
Es lohnt sich, hier ein bisschen genauer hinzuschauen. Dieser Wert als sog. „unbereinigter Gender Pay Gap“ wird auf einer Basis von 1,9 Mio. Sozialversicherten aus allen Branchen und Berufen vom Statistischen Bundesamt errechnet. Führt man eine Bereinigung durch, liegt die Lücke bei 6%. Eine Bereinigung erfolgt durch Berücksichtigung von Umfang der Beschäftigung, Verteilung auf Branchen und Berufsgruppen, Ausbildung, Berufserfahrung und Position. Je nach Studie gibt es hier allerdings unterschiedliche Aussagen. Das Magazin „brand eins“ setzte sich kürzlich mit der Lohnlücke intensiv regional und über verschiedene Branchen auseinander und kommt im Durchschnitt zu der Aussage: „In Deutschland verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen 92 Euro amTag – 22 Euro weniger als Männer.“ (Quelle: brand eins) Das heißt: Frauen verdienen weniger, weil sie öfter in Teilzeit arbeiten, weil sie zum Teil geringer qualifiziert sind, weil sie öfter in Branchen arbeiten, die ein niedrigeres Lohnniveau aufweisen. Leider werden Erziehungs-, Pflege- und Gesundheitsberufe grundsätzlich schlechter bezahlt als technische Tätigkeiten. In diesen Berufsbereichen arbeiten typischerweise viele Frauen.
Strukturelle Faktoren und Haltung der Männer
Sorgearbeit wird immer noch stark durch Frauen wahrgenommen: Versorgung von Kindern, Pflege von Angehörigen etc. kann nur durch den Kompromiss Teilzeit gelebt werden. Die signifikant schlechtere Bezahlung baut sich über lange Zeit auf: längere Auszeiten, weniger Aufstiegsmöglichkeiten insbesondere bei Teilzeitbeschäftigung und kein Rückkehrrecht auf eine volle Stelle sind die Ursachen. Nicht zu vergessen ist das Thema Haushalt. Hier kommt es oft zum sog. „Mental Load“. Viele Frauen leiden darunter, der CEO der eigenen Familie zu sein. Nicht das Durchführen der eigentlichen Tätigkeit wie Broteschmieren oder Müllraustragen ist belastend, sondern das permanente Denken und Planen hinter dem Familienalltag – ein Marathon über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Laut einer Studie der Boston Consulting Group tut sich hier etwas: in einer Befragung von 6.500 Angestellten in 14 Ländern in 2018 stellte sich heraus, dass sich Frauen ab 45 zweieinhalb Mal so häufig um den Haushalt kümmern wie ihre Partner. Bei den 35-Jährigen ist das nur noch eineinhalb Mal so oft der Fall (Quelle: ntv).
Die Rollenbetrachtung von Mann und Frau erklärt das bestehende Ungleichgewicht. Frauen haben in jungen Jahren die gleichen Bildungschancen und nutzen sie auch. Mit dem Eintritt ins Berufsleben und den anschließenden Entscheidungen für Familie und soziale Verantwortung werden die Grundsteine für oder gegen eine Karriere, berufliche Entwicklung und adäquate Entlohnung gestellt. Je jünger die Generationen, desto mehr scheint sich zu entwickeln: im Selbstverständnis in der Partnerschaft sowie in den Rahmenstrukturen – Elternzeit/-geld, Anspruch auf Kita, Hort etc. Die Bedingungen verbessern sich, jetzt braucht es „nur“ noch den Mut, dass Frauen ihre Chancen nutzen und manchmal auch einfordern.
Wo sind Frauen in der Wirtschaft sichtbar?
Kaufmännische Berufe sind als Einstieg gleichermaßen beliebt. Rollenklischees werden bei der Berufswahl, beim Einstieg von Frauen immer noch gerne bedient: (zahn-)medizinische Fachangestellte, Friseurin oder Verkäuferin. MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Natur, Technik) sind nach wie vor wenig begehrt – und das obwohl alleine die Schulnoten zeigen, dass es nicht an den intellektuellen Fähigkeiten liegt. Die reinen Zahlen zur Unternehmensführung ernüchtern: über alle Größen und Branchen sind Frauen in der Unternehmensführung im Vergleich zu Männern maximal bei 20% und bei Unternehmen über 10 Mio. EUR Umsatz nur mit ca. 5% aktiv.
Klassische Unternehmerinnen – aktuelle Unternehmerinnen
Als „klassische“ Unternehmerinnen bezeichne ich Unternehmerinnen, die aufgrund ihrer Familie Unternehmerinnen geworden sind. Selbstverständlich gibt es hier auch Gründerinnen, aber auch viele Nachfolgerinnen, die in die Fußstapfen der Unternehmergeneration treten. Dann sind Business und Branche vordefiniert. Bekannte deutsche Beispiele sind Liz Mohn (Bertelsmann), Catherine von Fürstenberg-Dussman (Dussmann Group), Catharina Cramer (Warsteiner Gruppe), Marie-Christine Ostermann (Rullko), Marli Hoppe-Ritter (Alfred Ritter). Für Italien sind herausragende Beispiele Emma Marcegaglia (Confindustria / ENI), Miuccia Prada (PRADA), Gaia Gaja (GAJA WINERY). In Österreich sind zu nennen Nadja Swarovski (SWAROVSKI), Monika Stoisser-Göhring (CFO AT&S), Claudia Oszwald (GF H&M Österrreich), Andrea Schmoranzer-Jerabek (GM L’Oreal Österreich).
Ein aktueller Blick in die sozialen Medien spiegelt wieder: Food, Living, Mode, Kinder, Reisen und Fitness – hier gibt es viele Blogger- und Influencerinnen und eine ganze Reihe interessanter Gründerinnen und Unternehmerinnen.
Die Digitalisierung von Geschäftsideen scheint insbesondere für Frauen als Gründerinnen inspirierend zu sein. Auch, wenn die Anzahl der selbständigen Männer (4.239.000) und der selbständigen Frauen (1.363.000) weit auseinanderliegen, findet man herausragende Beispiele von Gründerinnen im digitalen Kontext: Delia Fi-scher mit der Möbelplattform Westwing, Verena Pausder mit digitaler Bildung für Kinder Fox&Sheep, HABA Digitalwerkstätten und STARTUP TEENs, Nicola Bramigk / Nancy Bachmann mit der Reiseplattform SMART TRAVEL-LING; Julia Bösch gründete die Männerbekleidungsplattform OUTFITTERY; Marie-Christine Ostermann entwickelte das Familienunternehmen RULLKO weiter zum Anbieter digitaler Lösungen für Großküchen und Gemeinschaftsverpflegungen; Sarna Röser ist neben ihrer Rolle als designierte Nachfolgerin im Familienunternehmen Karl Röser FAM GmbH & Co KG Gründerin der Vernetzungsplattform BEAM-COO.
Trotz Erfolgen scheinen Unternehmerinnen eher zu selbstkritisch zu sein. Wie die Gründerin des Ladies-Dinner in Berlin Verena Pausder es so schön in Worte fasst: „Frauen lassen sich leichter verunsichern. Wenn sie als Feedback zu ihrem Konzept neunmal „Wow“ und einmal „Hä?“ bekommen, gehen Frauen mit dem „Hä?“ im Kopf nach Hause und sagen: „Dann lass ich es lieber.“ Männer würden nur die neunmal „Wow“ hören – das „Hä?“ hätten sie schon wieder vergessen.“
Fazit
Frauen nutzen aktuell mehr und mehr ihre Chancen und Möglichkeiten in der Business Welt. Gut gebildet und oft auch international trauen sich Frauen insbesondere in der Gründerwelt eigene Geschäftsmodelle aufzubauen. Typischerweise Frauen zugeschriebene Fähigkeiten wie Netzwerken, Kommunikation, Vielfalt, Kreativität, Neugierde, Ästhetik, Feinsinnigkeit und Feingeist scheinen wirklich gefragt zu sein.
Frauen werden mutiger und fangen mehr und mehr an, sichtbarer zu werden. Mittlerweile gibt es ein großes und wachsendes Angebot an FEMALE Veranstaltungen, Plattformen und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Frauen scheinen es auch sehr zu mögen mit Frauen zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Frauen eine wertvolle Kombination beherrschen: zum einen die Situation, den Kontext und Inhalt verstehen, also worum es gerade geht. Sie können aber auch erkennen und erfassen, wie es den Beteiligten geht, wer muss wie (auch emotional) verstanden und manchmal eingenordet werden. Das haben sie vielen Männern wirklich voraus. Die moderne Weiblichkeit nimmt an Fahrt auf, sichtbar, selbstbewusst, verantwortungsvoll, vernetzt.
Und was genau kann frau jetzt tun?
Eine Kernaufgabe und damit Daueraufgabe ist es, sich selbst wahr zu nehmen und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken. Dies gelingt zum Beispiel, wenn man jeden Tag mit folgenden Fragen abschließt: Was ist mir heute gelungen? Was mag oder liebe ich heute an mir? An welcher Stelle bin ich heute weiter als gestern? Was genau habe ich heute für mich bewusst gemacht? Es wäre wünschenswert, dass wir Frauen es schaffen, jedes „Wow“ zu hören und zu genießen – und unsere selbstkritische Seite leiser werden lassen.