Das strategische Oberziel jedes gesunden Unternehmens ist die gesteigerte Überlebensfähigkeit. Diesem Ziel müssen alle Entscheidungen im Unternehmen unterworfen werden. Überlebensfähigkeit bedeutet zum einen, dass mein Unternehmen morgen auch noch existiert, was angesichts der z. T. dramatischen Veränderungen in den Märkten nun wirklich keine Selbstverständlichkeit ist. Gesteigert steht für unabhängig, aufrecht, selbstbestimmt, eigenverantwortlich. Dazu müssen rein ökonomisch Wachstum, Rendite und Risiko stets in Balance sein. Doch wie können Unternehmen in einem zunehmend unsicheren Marktumfeld gesund wachsen? Wie identifizieren sie die geeigneten Innovationen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern? Wie schaffen sie es, die erforderlichen Veränderungen in allen Ebenen ihrer Organisation erfolgreich umzusetzen? Und schließlich, welche Rolle spielt dabei die Führungskompetenz der Führungskräfte?
Schaut man sich die Beispiele erfolgreicher Unternehmen an, die es geschafft haben, ihr Geschäftsmodell so aufzustellen, dass sie nachhaltig profitabel wachsen und das über das übliche Branchenwachstum hinaus, stellt sich die Frage, wie diese Erfolge auf das eigene Geschäftsmodell übertragen werden können. Es gilt, die Kundenprobleme als Chancen der Zukunft zu erkennen und bereits heute innovative, andersartige Lösungen, zu denen die meisten Wettbewerber nicht fähig sind, dafür zu entwickeln. Das heißt: Bereits heute Lösungen für die Kundenprobleme der Zukunft zu finden.
Aber die nachhaltige Veränderung eines Geschäftsmodells erfordert auch die Anpassung der Wertschöpfungsstruktur im Unternehmen. Um die damit verbundenen vielen Schritte gleichzeitig bewerkstelligen zu können und zu wollen, ist Kreativität im Top-Management gefragt. Oft stehen Unternehmer zu unmittelbar im Geschehen, um sich vorstellen zu können, dass Dinge auch ganz unkonventionell und anders als im eigenen Unternehmen funktionieren können. Es empfiehlt sich daher, wirkliche Veränderungen im Geschäftsmodell immer im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie zu sehen. Denn nur in der Betrachtung des gesamten Unternehmens und unter Berücksichtigung der obersten strategischen Ziele, lässt sich sicherstellen, dass mit einer Veränderung des Geschäftsmodells die Auswirkungen und nötigen Maßnahmen abgefangen werden können. Dabei sollte man ehrlich und kompromisslos nach den Ursachen der Wirkungen suchen.
Wer Leistung fordert, muss Sinn bieten
Eine wichtige Rolle – wenn nicht gar die wichtigste – bei der erfolgreichen Umsetzung von Strategien, spielt die Führungsebene. Und hier insbesondere die zweite Führungsebene, denn sie ist es, die die Strategie in die Organisation tragen und gemeinsam mit den Mitarbeitern bis zum Einzelnen herunterbrechen muss. Ein gemeinsames Leitbild bietet einen klaren Orientierungsrahmen und ist die Voraussetzung für Motivation und Energie im Unternehmen. Werte sind die Grundlage für Identität und Stolz. Menschen können sich nicht mit einem Unternehmen identifizieren, sondern nur mit seinen Werten. Im Wesentlichen unterscheiden sich exzellente Unternehmen vom Durchschnitt der Mitbewerber durch die weichen Kriterien wie Vision, Werte und die Unternehmensphilosophie.
Wir wissen heute aus den Ergebnissen der modernen Hirnforschung, dass wir keinen Handgriff ausführen können, wenn unser Gehirn ihn nicht visualisieren kann. Wie also sollen wir gute oder ausgezeichnete Arbeit leisten, wenn wir den Sinn darin nicht „sehen“ können? Wenn wir keine Vorstellung von unserem Unternehmen haben? Wittgenstein sagte einmal: „Die Grenze meiner Sprache ist die Grenze meiner Welt“. Übertragen würde die für die Unternehmensentwicklung bedeuten: „Die Grenze meiner Vorstellungskraft ist die Grenze meines Unternehmens“!
Wenn aber das Leitbild eines Unternehmens, bestehend aus Mission, Vision und Werten, die Leistung der Mitarbeiter derart beeinflussen, müssen diese auch in der Führungskultur mitgetragen werden. Eine gelebte Führungskultur ist immer auch bestimmend für die Unternehmenskultur. Entsprechend wichtig ist die optimale Besetzung der Führungspositionen im Unternehmen. Von Führungskräften, die andere Werte haben und die den in der Organisation herrschenden Führungsansätzen nicht folgen können oder wollen, muss man sich trennen. Das A und O ist also, zu überprüfen, ob die Führungspositionen im Unternehmen richtig besetzt sind und vor allem noch genauer abzuwägen, wen man zur Führungskraft macht.
Führende brauchen Folgende
Generell wird in den meisten Unternehmen zu viel gemanagt und zu wenig geführt. Es ist zwingend notwendig, einen Unterschied zu machen zwischen Management und Führung. Die Implementierung von Strategiemaßnahmen erfordert hohes strategisches Können und höchste fachliche Kompetenz. Doch inzwischen weiß man, dass ein noch so guter Stratege nur dann ein Unternehmen führen kann, wenn er gleichzeitig ein starkes Team hinter sich hat. Jede sehr gute Führungskraft verfügt daher sowohl über strategische als auch über soziale Kompetenz. Gute Führungskräfte und Unternehmer mit sozialer Kompetenz schaffen es immer wieder, ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu motivieren. Sie zeigen was eine echte Führungskraft von einem schlicht hierarchischen Vorgesetzten unterscheidet: Die Mitarbeiter einer echten Führungskraft wollen dieser folgen.
Machen wir uns nichts vor: Wer entscheidet denn darüber, ob eine Führungskraft gut oder schlecht ist, ob es sich lohnt ihr zu folgen oder nicht? Ganz allein der Mitarbeiter. Die meisten Führungsfehler entstehen eben nicht durch fehlende strategische Kompetenz, sondern durch fehlende oder mangelhafte soziale Kommunikations- und Veränderungskompetenz und durch ein falsches Rollenverständnis sowie Selbstbild der Führungskraft. Führungsfehler wirken sich fatal aus. Sie führen dazu, dass Mitarbeiter nicht ihr gesamtes Potenzial abrufen bzw. abrufen können, was wiederum Einbußen im Unternehmen zur Folge hat.
Führungsfehler können ein Unternehmen trotz optimalem Geschäftsmodell und passgenauer Strategie in die Knie zwingen. Daher sollte eines immer klar sein: gemanagt wird auf der Sachebene, geführt auf der Beziehungsebene. Führen heißt: Strategische Entscheidungen müssen mitgetragen und weitergereicht werden, Ziele müssen klar benannt und zum Credo erhoben werden, Regeln müssen aufgestellt und von allen befolgt werden und schließlich, Führen heißt, authentisch zu sein.
Führungsspitze muss authentisch sein
Unternehmen sind schnell dabei, neue Regeln zu verkünden, die für die Belegschaft gelten und bestimmen, wie diese ihr Verhalten den neuen Standards anzupassen hat. Aber das ist nicht die vorrangige Aufgabe. Die vielleicht größte Schwierigkeit, um eine Belegschaft bei der Stange zu halten, ist, diese davon zu überzeugen, dass die Unternehmensführung die neuen Standards selbst auch wirklich will. Wenn beispielsweise eine Einheit innerhalb eines Unternehmens einen Kompromiss finden soll zwischen einem geringeren Volumen von Hochleistungen und einem höheren Volumen akzeptabler Qualität, dann ist es wichtig, dass sie ohne Zweifel genau wissen, welche Entscheidung die Unternehmensspitze von ihnen erwartet. Wenn die Unternehmensführung will, dass ihre Mitarbeiter daran glauben, dass eine neue Unternehmensstrategie verfolgt wird, muss diese einen Weg finden, zu vermitteln, dass sie, die Unternehmensführung, ihr Denken geändert hat und auch bereit ist, ihr eigenes Handeln entsprechend zu ändern.
Es gibt zahllose Beispiele, die an diesem Punkt scheiterten. Will ein Unternehmen die Qualität des mittleren Managements verbessern, muss es bei der eigenen Unternehmensführung anfangen. Dennoch erwarten die meisten Spitzenmanager, dass dies funktioniert, ohne ihre eigenen Führungsqualitäten auf den Prüfstand zu stellen. „Fragen Sie uns nicht, wie wir unser mittleres Management managen. Wir wissen, dass wir das nicht sonderlich gut machen, aber wir sind nicht bereit, das zu diskutieren. Es ist Aufgabe des mittleren Managements etwas zu ändern. Und wir wollen, dass sie dies zuerst tun.“ Kann man sich einen Strategieprozess vorstellen, der weniger geeignet ist, die Belegschaft zu höherer Leistung zu motivieren?
Die wichtigste Frage also lautet: Steht die Führungsspitze hinter der neuen Unternehmensstrategie und ist sie auch gewillt das Unternehmen auf ihrem Weg nach den neuen Regeln zu führen? Ist die Unternehmensspitze überzeugt von der Richtigkeit der Strategie und den Visionen die ihr zugrunde liegen? Oder ist sie vielleicht selbst nicht überzeugt? Nach dem Motto: „das alles macht wahrscheinlich Sinn, aber wir sehen keinen Weg wie wir all diese Maßnahmen jemals umsetzen sollen!“
Wenn Mitarbeiter aller Abteilungen, aller Teams und aller Hierarchiestufen, die richtigen Entscheidungen treffen sollen, dann müssen sie absolut vertrauen können, dass die Führungsspitze hinter ihnen steht, sie unterstützt, auf dem Laufenden hält, dass sie entsprechend der neuen Strategie richtig handeln. Und immer muss gelten: Mitarbeiter dürfen Fehler machen. Wer sich als Teil des Programms, des Teams betrachtet und sein Bestes gibt, bleibt Teil des Programms. Auch hier ist es Führungsaufgabe, zu motivieren und damit Leistungen zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: Führen heißt, andere emporheben. Wirkliche Führungskräfte haben die Bereitschaft, ihre Mitarbeiter so zu entwickeln, dass sie auch über sich selbst hinauswachsen.
Prinzipien sind effektiver als Absichten
Da die erfolgreiche Implementierung einer Unternehmensstrategie beides erfordert – nachhaltiges Engagement über den gesamten Zeitraum sowie eine breite Teilnahme durch die gesamte Organisation – lässt sie sich, ähnlich wie eine Diät, zu der man sich entschlossen hat, viel besser durchsetzen, wenn die einzelnen Maßnahmen als Prinzipien d. h. echte Grundsätze behandelt werden, nicht nur als Absichtserklärung. Wenn Strategiemaßnahmen allein durch ihre Ergebnisse gerechtfertigt werden, nach dem Motto „tägliche Übung, nur um gut auszusehen“ dann wird die „Diät“ als ständige Strafe gesehen und möglicherweise als unerreichbar betrachtet. Wenn dagegen die Strategie als moralisches Prinzip erhoben wird, sind die Chancen signifikant höher, dass die erfolgreiche Implementierung gelingt.
Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Gelingen der Implementierung von Unternehmensstrategien kann die Einführung einer Art Strategie-Vertrags leisten, mit der sich das Management sichtbar, unausweichlich und unwiderruflich der Strategie verpflichtet. Besser noch: Führungskräfte, die sich vor ihre Mitarbeiter stellen und ankündigen, dass sie ihre eigene Rolle infragestellen werden, sollte die Strategie nicht zu den festgelegten Zielen führen, geben ein starkes Statement ab, ein Statement mit durchschlagender Wirkung.
Freiwilligkeit ist Voraussetzung
Es ist also Führungsaufgabe, die Strategie als Ideologie, als moralisches Prinzip zu erheben. Das ist ein notwendiger erster Schritt, aber bei weitem nicht ausreichend. Die Motivation der Mitarbeiter muss freiwillig, muss intrinsisch sein. Denn das Wesen eines erfolgreichen Strategiewandels ist nicht technisch, sondern Wille. Man kann es auch Bestimmung nennen, oder inneres Pflichtgefühl.
Allerdings kann kein Unternehmen erwarten, dass jeder Mitarbeiter, jeder Manager und jede Führungskraft von innen heraus Teil des neuen Strategieprogramms sein will. Mancher will zwar gerne alles erreichen, ist aber nicht bereit das Notwendige dafür zu tun. Dies trifft gleichermaßen auf Führungskräfte und Mitarbeiter wie auch auf die Unternehmensspitze zu. Mancher Unternehmer will zwar Marktführer sein, aber sein Unternehmen nicht entsprechend „umkrempeln“. Auch hier gilt: Jeder muss seine eigene persönliche Entscheidung treffen.