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Zwischen Tradition, Innovation und Internationalisierung

Was Familienunternehmen mit Fußballvereinen gemeinsam haben

Julian Vögele | Zwischen Tradition, Innovation und Internationalisierung
Julian Vögele | Zwischen Tradition, Innovation und Internationalisierung

Themen in diesem Artikel

Ganz Deutschland war die letzten Wochen im Fußballfieber und hat mit Spannung die EM verfolgt. Doch parallel liefen schon mit Hochdruck die Vorbereitungen für die kommende Saison der Fußballclubs. Was die meisten Fußballfans nicht wirklich auf dem Schirm haben, ist der Fakt, dass ihre Fußballclubs längst keine Vereine im klassischen Sinne mehr sind, sondern in Form von professionellen Unternehmensstrukturen organisiert sind. 

Es gibt klare finanzielle Ziele, Jahresabschlüsse, Finanzierungen und alles, was dazu gehört. Schaut man sich die Jahresumsätze der Bundesliga-Clubs von 2023 an, bemerkt man schnell, dass sich die Zahlen im Bereich des klassischen deutschen Mittelstandes wiederfinden (Eintracht Frankfurt 294 Mio. Euro, Borussia Dortmund 421 Mio. Euro, 1. FC Nürnberg 51 Mio. Euro). Doch wie werden diese Fußballclubs eigentlich geführt? Schaut man sich die Strukturen einmal genauer an, fallen einem bei näherer Betrachtung immer mehr Parallelen zwischen Fußballclubs und Familienunternehmen auf. Doch was meine ich damit?

Lange Traditionen und der Stolz auf die Geschichte

Zuerst einmal wären da das Thema Tradition und Geschichte. Ähnlich wie die meisten Familienunternehmen blicken Fußballclubs auf eine lange Historie zurück. Sie sind wahnsinnig stolz auf das, was sie geleistet haben und träumen häufig noch von alten Zeiten, anstatt einen klaren Plan für die Zukunft zu schmieden. Schauen wir uns zum Beispiel einmal den 1. FC Nürnberg an. Seit Jahrzehnten kämpft sich der Verein mit dem Klassenerhalt der ersten Liga, dem Abstieg in die zweite Liga sowie dem Wiederaufstieg in die erste Liga ab. Der „Club“ trägt nicht umsonst den Titel Rekord Auf- und Absteiger. Es scheint keinen klaren Weg für die Zukunft zu geben und dennoch hört man von hartgesonnen Fans und Funktionären noch immer stolz von der Meisterschaft 1920 reden. Manchmal scheinen die Traditionen regelrecht im Weg für Veränderungen zu stehen. Alte Strukturen sind etabliert und man hat Angst, mit neuen Dingen die alten Fans und Funktionäre zu vergraulen. Gleichzeitig gab es in den letzten Jahren so viele „Newcomer“ wie niemals zuvor. Mit Leipzig als auch mit Hoffenheim gelang es zwei Mannschaften mit Hilfe finanzieller Mittel, aber auch mit modernen Strukturen den Weg aus dem Amateurfußball bis in die erste Liga und auf die internationale Bühne zu bestreiten. 

Bei vielen Familienunternehmen sieht es nicht anders aus. Hier sind es anstatt der Fans die langjährigen Bestandskunden, die man nicht verärgern will und die Newcomer sind innovative Start-up, die den alten Hasen die bewährten Kunden durch innovative Geschäftsmodelle abgrasen. Schauen wir uns z.B. FlixBus an, das dem deutschen Familienunternehmen Deutsche Touring GmbH (bekannt unter dem Markennamen Eurolines) massive Konkurrenz gemacht hat und mittlerweile sogar die Deutsche Bahn attackiert. Ob man bei der Deutschen Bahn auch vom Rekordabsteiger sprechen kann, lasse ich hier jedoch einmal im Raum stehen.

Internationalisierung als Wachstumsstrategie

Eine weitere Parallele sehe ich in der Internationalisierung als Wachstumstreiber. Während Fußballclubs früher eher national aufgestellt waren, führt heute der Aufbau einer Marke und Beliebtheit bei internationalem Publikum – sei es Asien, Mittlerer Osten oder USA – zum absoluten Must-Do für einen Wachstumskurs. Was der FC Bayern mit seiner Asien-Tour bereits 2012 gestartet hat, um seine globale Markenstärke aufzubauen, wurde wenige Jahre später von mehreren Bundesligisten übernommen. Borussia Dortmund folgte 2015 mit mehreren Sommerreisen nach Asien und den USA und selbst der „Newcomer“ Leipzig tourt seit 2018 auf internationaler Bühne.

Ähnlich ergeht es den Familienunternehmen. Der Heimatmarkt reicht längst nicht mehr aus, um weiteres Wachstum zu generieren und so versuchen die meisten Familienunternehmen – wenn nicht schon passiert – den Schritt der Internationalisierung zu gehen. So hat Viessmann beispielsweise seine Vertriebsstrategien in Nordamerika und Asien ausgebaut. Das Unternehmen hat lokale Vertriebsbüros und Partnerschaften mit Distributoren eingerichtet, um seine Heiztechnik und Klimatechnikprodukte zu vermarkten. Dies ging sogar soweit, dass sie 2023 bekannt gaben, dass die Klimasparte des Unternehmens, Viessmann Climate Solutions, an das US-amerikanische Unternehmen Carrier Global Corporation verkauft wird, um die globale Expansion und Marktpräsenz weiter zu stärken und die Internationalisierung voranzutreiben.

Finanzierung und Investoren

Beim Thema Finanzierung findet man gleich die nächste Parallele. Während beim Fußball vor langer Zeit die Spieltagseinnahmen die treibende Größe waren, geben heutzutage die Werbeeinnahmen und Medienrechte den Ton an. So machten bei Borussia Dortmund 2023 beispielsweise Werbung und TV-Vermarktung knapp 70% des Jahresumsatzes aus, wohingegen der Spielbetrieb nur noch knapp 10% des Umsatzes ausmachte. Auch Investoren sind nicht mehr wegzudenken. Bleiben wir bei Borussia Dortmund, so war es der erste Bundesligaverein, der am 31. Oktober 2000 an die Frankfurter Wertpapierbörse ging. Der FC Bayern machte 2001 Schlagzeilen, als Adidas 10% der Anteile an der FC Bayern München AG erwarb und 2010 die Allianz weitere Anteile erwarb. Auch der VFB Stuttgart sprang auf den Zug auf und verkaufte 2017 11,75% seiner Anteile an die Daimler AG.

Bei Familienunternehmen ist das nicht anders. Während es früher einmal nur die Eigenfinanzierung aus Erlösen und die klassische Bankenfinanzierung gab, spielen Private Equity und teils auch Public Equity eine zunehmende Rolle, um die nächste Entwicklungsstufe zu meistern. Birkenstock zum Beispiel, einst ein traditionsreiches Familienunternehmen im Bereich orthopädischer Schuhe und Sandalen, hat im Jahr 2021 eine bedeutende Private-Equity-Investition von CVC Capital Partners erhalten. Diese Investition half Birkenstock, seine globale Präsenz zu stärken und neue Marktchancen zu nutzen.

Führungspersönlichkeiten und der Einfluss von Patriarchen

Doch die mit Abstand spannendste Parallele sehe ich bei den Führungspersönlichkeiten. Jeder denkt im deutschen Fußball hier natürlich gleich an Uli Hoeneß. Operativ spielt er beim FC Bayern zwar keine Rolle mehr, aber spätestens bei der Entlassung von Thomas Tuchel oder dem Rauswurf von Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić war er wohl der wichtigste Strippenzieher im Verein. Für mich ein plakatives Beispiel, dass man es einfach nicht schafft, sich von alten Strukturen – die zweifelsohne extrem erfolgreich waren – zu lösen und den Weg für neue und auch andere Ansätze frei zu machen. So war Uli Hoeneß bereits von 1979 bis 2009 bei Bayern im Management aktiv und selbst nach seiner Haftstrafe kehrte er wieder ins Management und später in den Aufsichtsrat als Vorsitzender zurück.

Bei Familienunternehmen ist das oft nicht anders und so muss man nicht selten bei dem einen oder anderen Patriarchen an einen kleinen Uli Hoeneß denken, der stets der Meinung ist, ohne ihn würde gar nichts mehr laufen. Vielleicht hat er recht, vielleicht aber auch nicht. Fest steht jedenfalls: Wenn man der neuen Riege nicht gewisse Freiräume lässt, kann sie sich auch nicht entfalten. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem auch der altgediente Familienunternehmer nicht mehr performen kann und eine große Lücke hinterlässt. Zugegebenermaßen hat man teils des Gefühl, dass genau diese Lücke gewünscht ist, um nach dem Ableben von „oben“ zu sagen „Schaut her, ohne mich läuft hier rein gar nichts“.

Der Versuch beim FC Bayern, die nächste Ebene heranzuziehen, ist mit dem Rauswurf von Oliver Kahn aus meiner Sicht jedenfalls kläglich gescheitert. Beim Familienunternehmen S. Oliver hat man Ähnliches beobachten können. Auch hier gab es mehrfach den Versuch mit dem Einstellen von externen Managern eine nächste Generation der Führung – und das unabhängig von Bernd Freier – aufzubauen. Doch wie die Geschichte zeigt, funktionierte das meist nicht lange. So hat Bernd Freier, der Gründer von s.Oliver, im Jahr 2014 offiziell die operative Führung des Unternehmens abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt übergab er die Leitung an Armin Fichtel, der als CEO eingesetzt wurde und beim Modeunternehmen Benetton reichlich Erfahrung gesammelt hatte. Von außen betrachtet ein idealer Nachfolger.  Allerdings blieb Bernd Freier weiterhin als Vorsitzender des Beirats im Unternehmen aktiv und behielt somit Einfluss auf strategische Entscheidungen. Nach wenig erfolgreichen Jahren musste Fichtel den Platz räumen, ihm folgte Claus-Dietrich Lahrs, der zuvor bei Hugo Boss wie auch Christian Dior aktiv war. Doch auch er konnte den Ansprüchen anscheinend nicht gerecht werden. Letztendlich kehrt 2021 Bernd Freier wieder in eine aktivere Rolle zurück und übernahm erneut die operative Führung von s.Oliver.

Dass Uli Hoeneß beim FC Bayern operativ noch einmal aktiv wird, glaube ich nicht, aber mit Jupp Heinkes hat er zumindest auf der Trainerebene bewiesen, dass er jederzeit bereit ist, einen alten Erfolgsbringer zu reanimieren. In diesem Beispiel immerhin mit Erfolg gekrönt.  

Strategie und kurzfristige Kursänderungen

Ein letzter Punkt – und für mein Berufsfeld der wichtigste – ist das Thema Strategie und kurzfristige Kursänderungen aufgrund emotionaler Entscheidungen. Beim Fußball wird der Erfolg eines Vereins gefühlt jede Woche neu bewertet. Hat der Verein ein Spiel gewonnen, herrscht Höhenflug; hat er verloren, Totengräberstimmung. Einen wirklich längerfristigen Plan zu verfolgen, scheint bei vielen Vereinen fast ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade wenn man sich entscheidet, ein neues Spielsystem zu etablieren und dieses nicht gleich fruchtet, wird häufig alles von einem Tag auf den nächsten in Frage gestellt. Es wird der Trainer entlassen und man versucht einen Neustart. 

So auch bei Familienunternehmen. Nicht selten erarbeiten wir in unseren Strategieprojekten innovative Ansätze, die ein Unternehmen befähigen, die nächste Evolutionsstufe zu erreichen. Meist ist damit auch ein gewisses Risiko verbunden und damit auch Kosten und Investments. Man befindet sich in neuen Geschäftsbereichen, muss seine Erfahrungen machen und kann nicht immer alles genau vorhersagen und planen. Doch was wir in der Umsetzung beobachten, ist nicht selten ein emotionales Einknicken. Wenn Businesspläne nicht von Beginn an zu 100% erfüllt werden oder man nach den ersten Monaten nicht den Zuspruch der Kunden erhält, kommt schnell Unsicherheit auf und viele Familienunternehmen geraten ins Wanken.

Wichtig ist aus unserer Sicht – ähnlich wie bei einem neuen Spielsystem im Fußball – nicht sofort einzuknicken, sondern an einer Idee festzuhalten, Routinen zu entwickeln und sich greifbare Ziele zu setzen, die sich auch in Aktivitäten herunterbrechen lassen. Nehmen wir zum Beispiel die Präsenz in sozialen Medien. Viele Unternehmen setzen sich diesen Punkt auf ihre Strategie-Agenda. Dass sie nach einem Monat nicht zu den Top-Influencern mit Millionenreichweiten zählen, sollte auf der Hand liegen. Dennoch wird schnell Abstand genommen, wenn sich keine konkreten Umsatzzahlen darauf zurückführen lassen. Anstatt sich aber zunächst Ziele in der Reichweite zu setzen, in der Anzahl des veröffentlichten Contents oder den Followern, wird hier zu schnell abgebrochen. Damit will ich nicht appellieren, krampfhaft an einer Idee festzuhalten, aber man sollte sich realistische Ziele setzen und dem Thema Zeit und Raum geben oder es gleich sein lassen, wenn es nicht zur eigenen DNA passt.

So hat im Fußball beispielsweise Union Berlin die letzten Jahre gezeigt, dass man auch im Sinne einer traditionellen oder „veralteten“ Taktik und Aufstellung erfolgreich sein kann und nicht zwangsläufig jeden Trend mitgehen muss.

Fazit

Fußballvereine und Familienunternehmen teilen viele Gemeinsamkeiten. Beide sind stark von Traditionen und ihrer Historie geprägt, was oft sowohl Stolz als auch Widerstand gegen Veränderungen mit sich bringt. Internationalisierung ist ein entscheidender Wachstumstreiber: Fußballclubs wie der FC Bayern München und Familienunternehmen wie Viessmann erweitern ihre Reichweite global.

In der Finanzierung setzen sowohl Fußballvereine als auch Familienunternehmen zunehmend auf externe Investoren. Beispiele wie Borussia Dortmund und Birkenstock zeigen diesen Trend. Führungspersönlichkeiten spielen in beiden Bereichen eine zentrale Rolle, oft beeinflussen charismatische Figuren wie Uli Hoeneß und Bernd Freier weiterhin die Geschicke ihrer Organisationen.

Strategische Planung und ihre Umsetzung sind entscheidend. Emotionale Entscheidungen können langfristige Pläne gefährden, doch wie der Erfolg von Union Berlin zeigt, kann auch eine traditionelle Herangehensweise erfolgreich sein.

Insgesamt müssen sowohl Fußballvereine als auch Familienunternehmen beständig bleiben und gleichzeitig flexibel auf neue Herausforderungen reagieren. Aus meiner Sicht gibt es deshalb nicht den einen Weg zum Ziel, sondern man muss einen individuellen Weg bestreiten, der Mut fordert, innovative Denkweisen an den Tag legt und damit neue Richtungen bestreiten lässt.

Autor

Julian Vögele

Senior Projektleiter
Julian Vögele
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