Immer mehr Familienunternehmen entscheiden sich, unabhängig von der Rechtsform, für ein professionelles Aufsichtsgremium, also einen Aufsichtsrat, einen Verwaltungsrat, einen Stiftungsrat oder auch einen freiwilligen Beirat, um die Professionalität und auch die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens zu verbessern. Während Kapitalgesellschaften wie die AG, die SE oder auch Sonderformen dieser Rechtsformen Aufsichtsgremien zwingend erforderlich machen, ist dies bei der Form der GmbH sowie bei allen Personalgesellschaften freiwillig. Die Vorteile, die durch die Einführung eines Aufsichtsgremiums, entstehen, rechtfertigen den damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwand.
Zunehmende Komplexität in der Unternehmensführung
Wir leben in einer Welt, die seit den 90er Jahren als VUCA-Welt beschrieben wird. VUCA ist ein Akronym für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Manche gehen noch einen Schritt weiter und beschreiben die Welt – auch aus Sicht der Menschen im Unternehmen – mit dem Akronym BANI, was für Brittle, Anxious, Non-Linear und Incomprehensible steht. Alte Muster gelten nicht mehr, werden „brüchig“, erzeugen Ängste, lassen sich nicht mehr linear fortführen und beschreiben eine Welt, die von vielen als „unverstehbar“ bezeichnet wird. Gerade in solchen Situationen hilft es, einen professionellen Aufsichtsrat zu haben, der mit kühlem Kopf für klare Entscheidungen sorgt. Denn die schlechteste Entscheidung ist oft, gar keine Entscheidung zu treffen.
Zugang zum Kapitalmarkt
Wenn ein Unternehmen einen professionell besetzten Aufsichtsrat hat, wirkt dies mit Sicherheit auf externe Stakeholder professionell und auch beruhigend. Gespräche mit Banken und anderen Kapitalgebern werden leichter und besser. Gerade der fehlende Zugang zum Kapitalmarkt ist bekanntlich einer der größten Wettbewerbsnachteile von Familienunternehmen. Klassischerweise finanziert sich diese Unternehmensgruppe entweder über Eigenmittel und die Hausbanken. Meist kommen noch Kundenanzahlungen und Lieferantenkredite dazu. Um die vielfältigen Möglichkeiten des Kapitalmarktes mit seinen Finanzierungsvarianten (Genussscheine, Schuldverschreibungen, Mezzanine, Anleihen, Private Equity etc.) zu nutzen, kann ein professioneller Aufsichtsrat nicht nur Know-how einbringen, er kann auch der ausschlaggebende Faktor für eine externe Finanzierungsquelle sein.
Professionelle Kontrolle
Grundsätzlich sieht der Gesetzgeber Kontrollorgane vor, um externen Kapitalgebern die Sicherheit zu geben, dass im Unternehmen alles in Ordnung ist. Natürlich sind auch klanghafte Namen in Aufsichtsgremien keine Garantie für solides Wirtschaften, wie manche Fälle in der jüngeren Vergangenheit gezeigt haben, aber sie geben doch eine positive Tendenz und Glaubwürdigkeit. Speziell wird das Thema in Familienunternehmen relevant, die den Übergang von eigentümergeführten zum eigentümergesteuerten Unternehmen vollzogen haben. Ist ein Vertreter der Eigner-Familien an der Spitze, so reduziert sich die Kontrolle in der Praxis auf ein Minimum. In dem Moment aber, in dem an der Spitze ein gemischtes (Eigner und Fremdmanager) oder reines Fremdmanagement steht, ändern sich die Spielregeln. Gerade in dieser Konstellation (Principal-Agent-Konflikt, also die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt) ist die Einführung eines professionellen Aufsichtsgremiums dringend anzuraten.
Der Aufsichtsrat als „Aussichtsrat“
Neben der kontrollierenden Funktion besteht auch die wichtige Funktion des Wegbegleiters, des Sparringspartners, des Mentorings und des Coachings. Während das Management überwiegend im Unternehmen arbeitet, hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit und auch die Verpflichtung, am Unternehmen zu arbeiten. Genau hier liegt der wesentliche Unterschied zwischen den „Executives“ und den „Non-Executives“. Es ist von großer Bedeutung, dass sich beide Seiten über die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben sowie die damit verbundenen Verantwortlichkeiten bewusst bleiben. Die Zukunft geistig vorwegnehmen, Trends in ihrer Bedeutung für das Unternehmen zu diskutieren, ja das ganze Geschäftsmodell konstruktiv-kritisch zu hinterfragen: Aufsichtsräte, die diese Aufgabe erfüllen, können für Familienunternehmen von unschätzbarem Wert sein. Sie bringen Erfahrungen aus anderen Branchen mit, haben vielleicht Teile des zukünftigen strategischen Geschäftsmodells bereits erfolgreich realisiert, können mit ihrer Erfahrung Wege abkürzen, Prozesse beschleunigen, Fehler vermeiden.
Begleitung bei Nachfolgeprozessen
Für Familienunternehmen ist ein Prozess oft besonders kritisch und herausfordernd: der Nachfolgeprozess. Die meisten Familienunternehmer träumen davon, ihr Unternehmen unter Erhaltung der größtmöglichen Unabhängigkeit (auch Bankenunabhängigkeit) sicher in die nächste Generation zu bringen, die dann idealerweise auch noch die Nachfolge als familieninternes Modell realisieren kann. Der Nachfolgeprozess ist nicht nur für jedes Familienunternehmen kritisch, weil hoch-emotional, er ist auch zum Teil – wenn es hier zu den falschen Entscheidungen kommt – geradezu gefährlich. Wenn Kinder in die Nachfolge „gezwungen“ oder zumindest überredet werden, so kann dies bei Fehlschlägen nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die Familie und ihre Mitglieder zersetzend wirken. Gerade hier kann ein sachlicher, professioneller Aufsichtsrat, der oft ein realistischeres Bild von den Beteiligten hat, beruhigend und zielführend wirken.
Fazit
Bevor man den Schritt geht, einen Aufsichtsrat zu installieren, muss man sich die Frage stellen: was soll das Gremium an Beitrag leisten? Hat es überwiegend Kontrollaufgaben oder aber hat es neben der Aufsichts- auch noch eine Aussichtsfunktion? Sollen die Beiräte Sparringspartner, Inspiratoren, Mediatoren und manchmal auch Schlichter sein? Verstehen sie sich – immer in einer nicht-exekutiven Rolle – als Hüter über das Familienvermögen und die Interessen der Gesellschafter? Bilden sie eine Brücke zwischen dem Management und den Eigentümern, der Familie? Arbeiten sie am, aber nicht im Unternehmen? Wenn der Aufsichtsrat diese Funktion erfüllen soll, dann müssen die Mitglieder unabhängig sein, dem Wertekanon der Eigentümer entsprechen – und sie sollten gemeinsam die zukünftig notwendigen Kernkompetenzen des Unternehmens abbilden.
Ein professioneller, qualifizierter Aufsichtsrat kann für das Oberziel der meisten Familienunternehmen, die langfristige Sicherung und Erhaltung als unabhängiges Unternehmen, von großer Bedeutung sein und ist in seiner positiven Wirkung kaum zu unterschätzen.
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