Agile Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher: sie erzielen bis zu fünfmal häufiger über-durchschnittliche Margen und wachsen stärker als der Durchschnitt – dies belegt die Studie „Die Zukunft der Organisation“ der Kollegen von BCG.
Agile Arbeitsweisen gewinnen stark an Bedeutung. Die Leitmedien berichten in letzter Zeit immer öfter von Beispielen aus der Wirtschaft, die nach Start-up-Methoden arbeiten, um auch in der Zukunft erfolgreich zu bleiben (z.B. Daimler, Deutsche Bahn, Hilti), und auch wissenschaftliche Publikationen widmen sich stärker den „Führungsinstrumenten aus dem Silicon Valley“. Die Veränderung der Arbeitsorganisation und der gesamten Unternehmenskultur ist insbesondere im Einfluss der nächsten Generation begründet, die zunehmend Managementposten besetzt oder gleich selbst gründet.
Next Generation in den Führungsriegen
Diese Next Generation ist zwischen 1982 und 2004 geboren und auch unter den Namen „Generation Y“ oder „Generation Me“ bekannt (Neil Howe und William Strauss, Milennials Rising: The Next Generation, 2000). Hip, cool, hinterfragend („Generation Why“), selbstbezogen, unbeständig und freizeitbetont – die heute Unter-35-Jährigen werden immer noch mit diesen Klischees konfrontiert. Dabei sind sie mitnichten bärtige Hipster, die ihre Tage surfend in Australien verbringen wollen. Fakt ist: Die Next Generation will anders arbeiten und anders leben. Sich nicht des Gehalts wegen für einen Job aufreiben, der wenig Spaß macht, sondern in einem kollegialen Team einer Arbeit mit Sinn nachgehen. Arbeit und Leben sollen sich nicht gegenüberstehen, sondern eine ausgeglichene Einheit darstellen. Arbeitszeit wird auch als Lebenszeit angesehen. Karriere, Weiterbildung und Gehalt sind jedoch wie den Generationen zuvor ebenfalls wichtig (Kienbauminstitut, Absolventenstudie, 2017). Die Next Gen will alles auf einmal und lebt nach dem You only live once-Prinzip.
Alles ist möglich, nichts bleibt
Die Mentalität der Next Gen verwundert angesichts einer sich stets verändernden Welt nicht. Die Welt ist VUKA geworden – volatil, unsicher, komplex, ambiguitiv/mehrdeutig. Nicht mehr nur der rasante Technologiefortschritt und die steigende Vernetzung der Welt, welche die Geschwindigkeit der Veränderungen zunehmen lässt, machen uns zu schaffen. Es ist die Kombination dieser Unübersichtlichkeit, das hohe Maß an Unberechenbarkeit und die schwierige Interpretierbarkeit vieler Entwicklungen. Vertreter der Next Gen sind mit dem Gefühl aufgewachsen, dass Arbeitsplätze nicht sicher sind, Unternehmenswechsel notwendig und Flexibilität wie Mobilität von Arbeitgebern gefordert werden. Angst macht ihnen dies nicht, denn die Digital Natives begreifen den Wandel als Chance und fordern ihrerseits von Arbeitgebern, ebenfalls mobil und agil zu sein, auf Veränderungen schnell zu reagieren und in einem dynamischen wie unsicheren Umfeld auch kurzfristig Entscheidungen zu treffen.
Die Stepstone-Studie „Organigramm deutscher Unternehmen – in welchen Strukturen Fachkräfte künftig arbeiten wollen“ zeigt mit einer Befragung von 14.317 Personen auf, was Fachkräfte von morgen möchten:
- möglichst selbstbestimmt arbeiten (85%)
- in einem Unternehmen mit flachen Hierarchien arbeiten (77%)
- einen Vorgesetzten haben, der klare Anweisung erteilt (65%)
Vertreter der Next Gen erwarten von Vorgesetzten Aufmerksamkeit, Mitsprache und Mitarbeit auf Augenhöhe sowie eine aktive Mitgestaltung im Unternehmen. Mit einer zündenden Idee gründen sie selbst beherzt ein Start-up, das sie nach ihren Vorstellungen und mit agilen Methoden führen. Agilität beschränkt sich hier nicht nur auf das Projektmanagement, aus dem der Begriff ursprünglich stammt, sondern bezieht sich auf die gesamte Unternehmenskultur und ist Ausdruck des Willens, als Unternehmer schnell zu reagieren, Dinge auszuprobieren und aus Erfolgen wie Fehlern permanent zu lernen.
Gefahr oder Kooperationspartner?
Die Stärken der neuen Konkurrenten sind laut etventure (Digitale Transformation, etventure, 2017):
- Risikofreude
- Extreme Testmentalität
- Maximale Nutzerzentrierung
- High-Speed Umsetzung
- Hohe Datenzentrierung
- Langfristige Radikalität
Die digitalen Giganten amazon, facebook, Google, Apple und Microsoft wie auch agil geführte deutsche Start-ups bedrohen mit ihren Geschäftsideen etablierte Unternehmen. Die Gründer haben Freude am Risiko, keine Scheu vor radikalen Veränderungen. Mit ihren disruptiven Geschäftsmodellen und Online-Plattformen nehmen sie den heutigen Marktführern Umsatz ab und verhindern deren weiteres Wachstum.
Die „Zerstörer“ greifen in allen Branchen an, z.B. Thermondo und Tado im Bereich der Heizungsinstallation, Fintechs vs. Banken oder Doc Morris gegen traditionelle Apotheken. Starre Organisationen, die ihre Augen vor den Veränderungen verschließen, werden abgehängt. Branchen-Urgesteine wie Beate Uhse kapitulieren vor Amorelie und Eis, die in kürzester Zeit die Erotikbranche revolutioniert haben und gezielt Frauen und Paare ansprechen. Onlineversand rund um die Wurst? Ein fränkischer Metzgerbetrieb nutzt seit Jahren alle Möglichkeiten der digitalen Vermarktung und macht auch vor zunächst absurd klingenden Ideen wie dem Wurstautomat oder Wursterlebniszentrum nicht halt, während große Lebensmittelhändler mühsam und mit amazon fresh im Nacken versuchen, im Onlinehandel Fuß zu fassen.
Agilität ist kein Allheilmittel, aber wer sich als Familienunternehmer dem Thema nähert, offen und proaktiv mit agilen Denkweisen beschäftigt, spielerisch und experimentell mit disruptiven Geschäftsmodellen umgeht und agile Start-ups nicht als Konkurrenten aus einer anderen Welt ansieht, sondern als mögliche Kooperationspartner auf Augenhöhe, kann auch seine eigene Zukunftsfähigkeit stärken.
Neue Skills mit bisherigen Unternehmensstärken verbinden
„Die Chefetagen müssen sich zu Innovationen bekennen — und zwar langfristig, mutig und mit ordentlich Geld. Sie müssen häufiger mit Start-ups zusammenarbeiten und von ihnen und mit ihnen lernen. Und sie bitte nicht gleich aufkaufen. Sonst verlieren die Teams in der Bürokratie eines Großunternehmens ihre Agilität. Ein Konzern kann hochskalieren, ein Startup innovativ sein. Das ist die Arbeitsteilung der Zukunft, mit der die deutsche Wirtschaft wieder ganz vorne mitspielen kann“, so Robin Tech, Gründer von Atomleap und Startup-Forscher am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft.
Die BMW Group ließ beispielsweise unter ihren Fittichen das Münchner Start-up ProGlove ihren intelligenten Arbeitshandschuh mit integriertem Barcode-Scanner weiterentwickeln. Getestet und für die industrielle Anwendung optimiert wurde der smarte Handschuh gemeinsam, sodass er schließlich in den BMW-Werken eingesetzt werden konnte. Das freihändige Scannen unterstützt die Mitarbeiter, erleichtert die Arbeitsabläufe und sorgt für mehr Effizienz. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: ProGlove zählt inzwischen fast alle europäischen Automobilhersteller und Zulieferer zu seiner Kundschaft und wird nun im Rahmen des German Accelerator Programms beim Markteintritt in die USA unterstützt – Win-Win für beide.
Fazit
Wenn traditionsreiche Unternehmen die Stärken der Start-up-Szene aufbauen und mit ihren bisherigen Unternehmensstärken verbinden, sind sie umso schlagkräftiger. In diesem Zuge sollten sie den Fokus auf die Kunden von morgen richten, einen anderen Umgang mit Fehlern etablieren und die eigene Agilität verbessern.