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Kontrolle bewahren und Zukunft sichern

Strategien gegen die Anteilszersplitterung in Familienunternehmen

Moritz Weissman | Anteilszersplitterung und Generationswechsel in Familienunternehmen
Moritz Weissman | Anteilszersplitterung und Generationswechsel in Familienunternehmen

Themen in diesem Artikel

Führung und Eigentum des Familienunternehmens in Familienhand – das ist nicht nur Wunsch, sondern bei vielen Familienunternehmen in Deutschland auch noch Realität. Im Laufe seines Bestehens ist das Unternehmen gerade in der Eigentümerdimension vielfältigen und zum Teil destruktiven Entwicklungspfaden unterworfen. Dabei soll das gemeinsame Unternehmensvermögen – so die Aussage vieler Familienunternehmen – über Generationen hinweg in Familienhand bleiben.

Die Familienunternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Oft über Generationen gewachsen, haben sie sich als stabile Arbeitgeber und Innovationsmotoren etabliert. Doch hinter den Erfolgsgeschichten verbirgt sich nicht selten ein Problem, das die Existenz und die Zukunft der Unternehmen bedroht: die Zersplitterung der Unternehmensanteile. Wenn Unternehmensanteile immer mehr zersplittert und auf viele Erben und Generationen verteilt werden, kann das zu Konflikten, Entscheidungsunfähigkeit und sogar zum Verkauf des Unternehmens führen. Einen Ausweg scheint es nicht zu geben – oder doch? Wie können Familienunternehmen vor der Zersplitterung bewahrt werden?  

Die Problematik der Anteilszersplitterung  

Die Zersplitterung der Anteile im Zuge der Übertragung des Familienunternehmens auf die nachfolgenden Generationen stellt für viele Familienunternehmen ein erhebliches Problem dar. Wenn sich die Anteile an einem Unternehmen auf eine große Anzahl von Familienmitgliedern verteilen, kann dies zu einer Schwächung der Kontrolle und Entscheidungsfähigkeit des Unternehmens führen. Je mehr Personen Anteile halten, desto schwieriger kann es sein, eine einheitliche Unternehmensstrategie zu entwickeln und umzusetzen, da die Interessen der einzelnen Familienmitglieder divergieren und individuelle Interessen dem Kollektivinteresse bevorzugt werden. Finden sich die Gesellschafter zudem noch in unterschiedlichen Rollen im Unternehmen wieder, führen die unterschiedlichen Informationsstränge unweigerlich zu Informationsunterschieden zwischen den Gesellschaftern. Diese Interessens- und Informationsunterschiede können es erschweren, Entscheidungen zu treffen, die im Interesse des Unternehmens als Ganzes liegen.  

„Am Ende sprechen viele mit, aber keiner entscheidet. Ein Unternehmen braucht auch immer Unternehmer an der Spitze, die das Unternehmen voran bringen!“  

Mit wachsender Anzahl an Gesellschaftern sinkt zudem die individuelle Identifikation mit dem Familienunternehmen. Die familiären Bindungen zu weiter entfernten Verwandten bleiben auf der Strecke – die eigene Familie steht nachvollziehbarerweise im Fokus. Der Anteil in Stimm- und Vermögensrechten nimmt ab, das persönliche Involvement beschränkt sich bestenfalls auf die jährlichen Gesellschafterversammlungen. Im schlimmsten Fall beschränkt sich die Beziehung zum Familienunternehmen auf die Hoffnung auf regelmäßige Geldflüsse – hin zum Gesellschafter natürlich.  

Spätestens im Zuge der Nachfolge auf künftige Generationen kann dies zu einer großen Herausforderung für die Gesellschafter werden und zu Konflikten innerhalb der Familie führen. Bereits ab der dritten Generation kommen häufig schon viele Gesellschafter, mit größeren und kleineren Anteilspaketen und unterschiedlichem Wissens- und Ausbildungsstand zusammen. Diese heterogene Gruppe unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei einen der größten Vorteile von Familienunternehmen, nämlich die schnelle und pragmatische Lösungsfindung, zu verlieren gleicht einer Herkulesaufgabe. Der Wert des Unternehmens ist so groß, dass eine faire Weitergabe an mehrere Nachkommen nur gleichmäßig erfolgen soll – ein „Ausgleich“ durch andere Vermögenswerte ist schlicht und einfach nicht darstellbar. Die fortschreitende Zersplitterung des Besitzes in Kleinstanteile setzt sich mit jedem weiteren Gesellschafter in der weiteren Generation fort, mit all den wohlbekannten Folgen der unterschiedlichen Interessen. Aus diesen Gründen suchen viele Familienunternehmen nach Lösungen, um die Anteilszersplitterung zu minimieren und eine effektive Unternehmensführung sicherzustellen.  

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Die Zersplitterungsproblematik: Herausforderungen für Familienunternehmen

„Der älteste Sohn bekommt den Hof“

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich klare Regeln für die „Weitergabe des Vermögens“ herausgebildet. „Der älteste Sohn bekommt den Hof“ oder im (männlichen) Adel das sog. Prinzip der „Primogenitur“ im männlichen Adel, um den Erhalt des Standes und der materiellen Basis der Familie zu sichern. Diese tradierten Regelwerke gaben in der Vergangenheit mehr oder weniger klar vor, was im Erbfall wem zusteht, so dass nicht in jedem Einzelfall familienintern entschieden werden musste. Nun ist es nur einerseits nicht mehr zeitgemäß, nur Söhne für das Erbe in Betracht zu ziehen (wenn man denn überhaupt welche hat), es ist auch angebracht, mehrere Nachkommen (unabhängig von Alter und Geschlecht) gleich zu behandeln und v.a. stellt sich die Frage, wer überhaupt das unternehmerische Erbe antreten will – und damit nicht nur Gesellschafter, sondern auch Unternehmer werden will.  

Daran haben sich die FamilienunternehmerInnen ein Beispiel genommen: In vielen Familienunternehmen, die in den letzten zwei bis drei Jahrhunderten in der modernen Wirtschaft entstanden sind, hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass Führung und Eigentum in einer Hand liegen müssen. Familiengeführte Unternehmen können sich – dieser Prämisse folgend – nur dann gut entwickeln, wenn der oder die Führungsverantwortliche im Unternehmen auch über die „Mehrheit“ des Eigentums verfügt und damit in jeder Hinsicht das „Sagen” hat. Dieser Grundgedanke rechtfertigt es, in der nachfolgenden Generation aus „Übergebersicht“ ganz selbstverständlich große Unterschiede bei der Vermögenszuteilung zu machen. Ein Lösungsansatz hier wäre es, weg von der Tradition hin zu einer modernen Erbpraxis überzugehen, bei der zwar nur ein Erbe die Führung übernimmt, dies aber unabhängig von Alter und Geschlecht.  

Vor einer ähnlich schweren Entscheidung steht aktuell das Familienunternehmen Trigema. Bekannt geworden durch hochwertige Textilprodukte „Made in Germany“ steht das Unternehmen nach nunmehr 50 Jahren Führung unter Firmeninhaber Wolfgang Grupp vor der Entscheidung, welches der Kinder das Unternehmen in Zukunft führen soll. Grupp betont dabei, dass es insbesondere bei Erbschaften von großer Bedeutung sei, dass eine einzige Person die Führung des Unternehmens übernehme, da andernfalls „bereits in der zweiten oder dritten Generation viele Gesellschafter“ entstehen können. Welches Kind wird nun aber die Nachfolge antreten? Geeignet wären beide gleichermaßen:  Sowohl Tochter Bonita als auch Sohn Wolfgang Junior, haben dieselbe hochkarätige Ausbildung durchlaufen, arbeiten bereits im Unternehmen und wollen ihren Vater eines Tages beerben.  

Die Ausgabe von Stimmrechtsaktien

Alternativ zur Praxis des Alleinerbens kann die Ausgabe von Stimmrechtsaktien ein wirksames Instrument sein, um eine Anteilszersplitterung in Familienunternehmen zu verhindern. Durch die Ausgabe von Stimmrechtsaktien können Familienmitglieder, die nicht direkt in das Unternehmen involviert sind oder nicht aktiv an der Geschäftsführung beteiligt sind, ihren Besitzanteil am Unternehmen behalten, aber gleichzeitig auf ihre Stimmrechte verzichten. Stattdessen werden die Stimmrechte auf eine kleinere Gruppe von Familienmitgliedern oder Führungskräften konzentriert, die das Unternehmen aktiv führen und Entscheidungen treffen.

Dadurch wird die Kontrolle über das Unternehmen konzentriert und die Entscheidungsfindung erleichtert, da eine kleinere Gruppe von Personen effektiver und schneller handeln kann als eine große Gruppe von Familienmitgliedern mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven. In der Folge bleibt das Unternehmen handlungsfähiger und die Fähigkeit zur schnellen und pragmatischen Lösungsfindung bleibt erhalten.  

Akzeptanz von „geringer“ Ungleichverteilung – zum Wohle des Unternehmens

Eine weitere Alternative kann die Akzeptanz von „geringer“ Ungleichverteilung sein. So kann z.B. (bei zwei Erben) einer, der das Unternehmen auch maßgeblich führt, 51% und der andere, der eher passiver Gesellschafter ist, 49% bekommen. So partizipieren beide, jedoch bleibt das Unternehmen handlungsfähig.  

Eine „Stammesregelung“ erhält die Handlungsfähigkeit

Spätestens, wenn es in der nächsten Generation eine Vielzahl an (passiven) Gesellschaftern gibt, die sich auf mehrere „Stämme“ verteilen (z.B. wenn drei Geschwister der ersten Generation ihre Anteile an ihre jeweiligen Kinder weiter geben) sollte über eine „Stammesregelung“ nachgedacht werden. Das bedeutet, dass die Erben eines jeden Stammes sich wiederum einig werden müssen und dann mit einer Stimme sprechen müssen. Wenn dies nicht erfolgt, dann verfällt die (Stammes-) Stimme.  Alle Varianten können jedoch auch zu Konflikten innerhalb der Familie führen, insbesondere wenn einige Familienmitglieder das Gefühl haben, dass ihre Interessen nicht angemessen berücksichtigt werden oder dass sie benachteiligt werden. Es ist daher wichtig, die Bedenken und Interessen aller Familienmitglieder sorgfältig zu berücksichtigen und eine transparente Lösung anzustreben und dabei auch klar aufzuzeigen, warum man sich für die gewählte Option entschieden hat.  

Die Gründung einer Familienstiftung

Wer die Anteilszersplitterung des Familienunternehmens auf anderem Wege verhindern will, kann sich ein Beispiel an dem wohl bekanntesten deutschen Stiftungsunternehmen Bosch nehmen und das Familienunternehmen in eine Stiftung überführen. Dabei wird das Eigentum des Unternehmens auf die Stiftung übertragen und die Familie erhält im Gegenzug Stiftungsanteile. Die Stiftung hat dann die Kontrolle über das Unternehmen und kann sicherstellen, dass es in Übereinstimmung mit den Werten und Zielen der Familie geführt wird. Bei entsprechender Strukturierung der Familienstiftung kann diese auch die Nachfolgeplanung erleichtern, indem sichergestellt wird, dass das Unternehmen in Familienhänden bleibt und die Familienmitglieder in das Unternehmen integriert werden können, ohne die Kontrolle zu verlieren oder das Unternehmen zu gefährden.  

Durch die Übertragung der Unternehmensanteile auf eine Stiftung können auch eventuelle Auseinandersetzungen innerhalb der Familie über die Verteilung der Unternehmensanteile vermieden werden. Die Stiftung kann zudem dafür sorgen, dass die Nachfolge in der Familie geregelt wird und dass das Unternehmen unabhängig von den persönlichen Umständen und Interessen einzelner Familienmitglieder weitergeführt werden kann. Eine Familienstiftung kann somit als eine Art "Familien-Überbau" fungieren, der dazu beiträgt, dass das Unternehmen in Familienbesitz bleibt und den Erhalt der Unternehmenskultur, der Werte und der Kontinuität sicherstellen.  

Nicht zu vernachlässigen bei der Gründung einer Stiftung zum Schutze des Familienunternehmens ist jedoch der erhebliche mit der Gründung einhergehende Verwaltungsaufwand. Der Betrieb der Stiftung, einschließlich der Einrichtung von Organen wie einem Vorstand, einer Aufsichtsbehörde und eines Beirates erfordert eine erhebliche Verwaltung und damit einhergehende zusätzliche Kosten für die Stiftung. Stiftungen sind zudem in der Regel auf die Zwecke, für die sie gegründet wurden, beschränkt. Abweichungen von diesem Zweck, selbst wenn sie im einvernehmlichen Einverständnis aller Beteiligten liegen, können dadurch nur schwer umgesetzt werden.

Fazit

Das Problem der Anteilszersplitterung ist keinesfalls neu. Was früher aber noch von den weichenden Erben als üblich akzeptiert wurde, ist heute schon lange nicht mehr durchsetzungsfähig, sodass auch alte Konzepte eine moderne Anpassung benötigen, um ihren ursprünglichen Mehrwehrt ausspielen zu können. Modernere Lösungen wie die Ausgabe von Stimmrechtsaktien oder zumindest die Bündelung von Stimmen können dabei Abhilfe schaffen. Jedoch müssen auch hier Vor- und Nachteile sorgfältig evaluiert werden. Gute Nachfolgeregelungen fallen nicht vom Himmel, sondern bedürfen guter Planung, Vorbereitung sowie einer Unterstützung und Akzeptanz durch die gesamte Familie. Unter diesen Voraussetzungen kann es gelingen, das unternehmerische Erbe erfolgreich in der nächsten Generation fortzuführen. 

Autor

Moritz Weissman

Geschäftsführender Gesellschafter
Moritz Weissman
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