Sollte man seine Kinder aktiv zu Unternehmern erziehen? Wie viel Förderung ist gut? Viele Unternehmereltern neigen dazu, die Eignung ihrer Kinder als potenzielle Nachfolger am klassischen Bildungszweig festzumachen. Doch Bildung hat viele Facetten, wie Moritz Weissman in seinem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe von „DER Mittelstand“ aufzeigt.
Wie erziehe ich mein Kind zum Nachfolger meines Familienunternehmens? Will er oder sie das überhaupt? Mit den richtigen Leitplanken kann die Übergabe gelingen.
Bildung hat viele Facetten, die für Nachfolger in Familienunternehmen von Bedeutung sind. Neben der schulischen und akademischen Ausbildung sind Berufserfahrung und schließlich auch unternehmerische Erfahrung Stellschrauben, die man beeinflussen kann. Handelt es sich um ein international agierendes Familienunternehmen, sind Fremdsprachenkenntnisse und Auslandssemester von Vorteil oder sogar zwingend notwendig. Dabei ist die Wahl der Universität oder Business School zweitrangig. Diejenige mit dem besten Ruf muss nicht unbedingt die adäquate Vorbereitung für den Nachfolger bieten.
Viele Unternehmereltern neigen dazu, die Eignung ihrer Kinder als potenzielle Nachfolger am klassischen Bildungszweig festzumachen. Unterschätzt werden dabei die Vermittlung von Werten und die Bildung der Persönlichkeit. Diese Aufgaben bringen die meiste Arbeit mit sich, betreffen die Unternehmerfamilie und das Familienunternehmen ganz konkret und können nicht wie die akademische Bildung an Lehrer und Dozenten delegiert werden.
Viele Senioren glauben, dass man zum Unternehmer geboren wird. Gleichzeitig halten sie sich für unersetzlich und denken erst an die Übergabe an die nächste Generation, wenn sie selbst soweit sind. Bis dahin überlassen sie den Weg des Nachwuchses dem Zufall oder predigen, die Kinder sollten sich zunächst frei entwickeln, um dann irgendwann Interesse für das eigene Unternehmen zu verspüren.
Zur freien Entwicklung gehört jedoch auch, die Optionen frühzeitig aufzuzeigen und Unternehmertum näher zu bringen. „Wenn der Nachwuchs mit sechzig zum ersten Mal Chef wird, dann wird er sicher kein Vollblutunternehmer mehr werden“, so Michael Otto, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Otto Group und Sohn des Firmengründers. Ein frühzeitiges Bewusstsein für die Nachfolgeplanung ist daher sowohl für Senioren als auch Junioren zielführend. Wenn Unternehmereltern Chancen in der Persönlichkeitsbildung verstreichen lassen und dann die Nichteignung mit „er/sie bringt es einfach nicht“ kommentieren, machen sie es sich zu einfach.
Prinzipiell steht jedem die Tür offen, Unternehmer und Nachfolger zu werden. Ein Patentrezept gibt es nicht, denn jede Persönlichkeit, jede Unternehmerfamilie, jedes Unternehmen ist anders. Den größten Einfluss haben mit Sicherheit die Eltern, die ihre Kinder im besten Fall zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten erziehen, ihnen die eigenen Werte nahe bringen und sie auf das Unternehmen neugierig machen.
Sollte man also seine Kinder aktiv zu Unternehmern erziehen? Wie viel Förderung ist gut, wann schießt man über das Ziel hinaus?
Eine komplett freie Entwicklung zeigt dem Nachwuchs kein mögliches Ziel im Familienunternehmen auf. Wenn er oder sie einen anderen Fokus hat, sich andere Strukturen verfestigen wie eine eigene Unternehmensgründung, lässt sich diese Entwicklung nicht über Nacht korrigieren.
Das andere Extrem sind starre Vorgaben, an die sich ein Unternehmernachfolger zu halten hat. BWL-Studium, drei Fremdsprachen, fünf Jahre in einem Handelsunternehmen und nicht jünger als 35 Jahre – dies können die Hürden sein, die es zu nehmen gilt. Dabei hat der Senior ein klares Bild von seinem Nachfolger oder will bestimmte Personen aus dem Familienkreis als Nachfolger ausschließen.
Beide Extrempositionen sind nicht zu empfehlen. Je komplexer das Unternehmen, dessen Führungsstrukturen und damit die familieninterne Nachfolge, desto mehr sollte man steuern. Gibt man dem Nachwuchs zur Orientierung Leitplanken in Form der wichtigsten Anforderungen für die zukünftige Rolle im Unternehmen, so besteht die reelle Chance, dass er oder sie sich zu einem smarten Nachfolger entwickelt. Zunehmend lässt sich beobachten, dass ein Senior sich mit der Unternehmensübergabe beim Junior bewirbt. Statt „du musst es machen“ heißt es heute oft, „bitte übernimm es“. Der für das Unternehmen beste Nachfolger ist derjenige, der neben dem Familienunternehmen auch andere berufliche Optionen hat und sich bewusst für die Übernahme entscheidet.
Erschienen in: DER Mittelstand, 10/2017