Stellen Sie sich vor, in Ihrem Lieblingscafé wird der gute alte Cappuccino von der Getränkekarte gestrichen. Ganz so abwegig ist diese Vorstellung heutzutage nicht mehr, denn ein „Trendgetränk“ entpuppt sich zunehmend als der neue starke Konkurrent des klassischen Cappuccinos.
Der „Chagaccino“ hat im eigentlichen Sinne nichts mit Kaffee zu tun, da anstelle der Kaffeebohne für die Herstellung der Chaga Pilz – auch „Schiefer Schillerporling“ genannt – verwendet wird. Der Pilz wächst überwiegend auf Bäumen und ihm wird eine besondere Heilkraft zugeschrieben. Bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass der Chagaccino genau den Nerv der Zeit trifft und vielleicht doch keine Eintagsfliege ist. Ähnliches trifft auf den schon länger bekannten Red Cappuccino zu, der auf Basis des Red Espressos hergestellt wird. Als Grundlage für den Red Espresso wird Rooibostee verwendet. Da Rooibos kein Koffein enthält, ist der Red Espresso eine koffeinfreie Alternative zum klassischen Kaffee. Kann der Cappuccino da noch mithalten? Am Beispiel des Chagaccino sowie des Red Cappuccinos ist zu erkennen, dass der Lebensmittelmarkt vor großen Herausforderungen steht und genau solche Trends, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, zukünftig die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen auf die Probe stellen werden. Um den vielfältigen Herausforderungen im Lebensmittelbereich gewachsen zu sein, müssen Unternehmen fünf übergreifende Trends beherzigen:
Trend 1: „Der Verbraucher der Zukunft wird sparen, aber nicht am Genuss!“
„Wer billig kauft, kauft zweimal“ – solche Weisheiten werden in der Zukunft ausgehebelt. Durch Corona und den russisch-ukrainischen Krieg spürt der heutige Verbraucher zunehmend wirtschaftliche Unsicherheit, aber wie kommt es zu dem Widerspruch, einerseits niedrige Preise und andererseits ein hervorragendes Genusserlebnis zu verlangen? Die wahrscheinlichste Begründung ist sicher der hohe Lebensstandard, der sich über Jahrzehnte hinweg etabliert hat. Durch die aktuelle wirtschaftliche Lage sind wir zwar gezwungen, vermehrt auf den Preis zu achten, wollen aber unseren gewohnten Wohlstand nicht aufgeben. Der Verbraucher der Zukunft wird komplexer und anspruchsvoller, wodurch die Unternehmen billiger anbieten müssen und gleichzeitig hohen Genuss liefern werden (Quelle: Lebensmittelpraxis).
Als Konsequenz werden sich zwangsläufig hohe Qualitätsstandards sowie ein starker Preiskampf im Markt etablieren. Der zukünftige Verbraucher wird häufiger Handels- und Eigenmarken konsumieren, wodurch die Herstellermarke sich entweder neu erfindet oder vom Markt verschwinden wird. Zudem werden die Unternehmen von der Herstellung über die Verarbeitung bis hin zum Vertrieb von Lebensmitteln die Kosten trotz hoher Qualität so gering wie möglich halten. Unternehmen sollten also lieber heute als morgen bei der Strategieentwicklung diesen Trend bewusst berücksichtigen.
Trend 2: „Der Wunsch nach hervorragendem Geschmack stellt jedes Produkt auf den Prüfstand!“
Der zukünftige Verbraucher ist probierfreudiger und ersucht den perfekten Geschmack. Entgegen der „Macht der Gewohnheit“ spielen Fleisch und Milch hierbei eine kleinere Rolle. Bereits heute sind Fleisch- und Milchersatzprodukte vom Lebensmittelmarkt nicht mehr wegzudenken. 55 Prozent der deutschen Verbraucher verzichten zunehmend bewusst auf Fleischprodukte und fordern ein größeres Produktportfolio an Lebensmitteln. Selbst alternative Proteine, wie Insekten, werden bei der jungen Generation Z nicht mehr ausgeschlossen (Quelle: marke41).
Unternehmen müssen infolgedessen große Investitionen im Bereich der Forschung und Entwicklung durchführen, um den Verbrauchern neue und spannende – „noch unbekannte“ – Produkte anbieten zu können. Die Anzahl von Food & Beverage-Trends wird sich zwangsläufig drastisch erhöhen. Wie zu Beginn dargestellt, durchlebt der Cappuccino genau diesen Prozess und wird durch neue starke Konkurrenzprodukte auf den Prüfstand gestellt.
Trend 3: „Der E-Lebensmittelmarkt wird die hohe stationäre Dichte auflösen!“
Durch den Megatrend Digitalisierung wird der Online-Konsum stark ansteigen und den Leistungsdruck für Unternehmen erhöhen. Die hohe stationäre Dichte von Lebensmittelläden in Ländern wie Deutschland wird es bald so in ihrer Form nicht mehr geben (Quelle: Statista & Börsen-Zeitung). Der deutsche Supermarkt-Riese REWE beschäftigte sich beispielsweise schon sehr früh mit der Thematik Omnichannel im Handel und gilt durch seinen Online-Shop mit Liefer-, Abhol- und Paketservice als Vorreiter im deutschen E-Commerce von Lebensmitteln. Die REWE Group kann mit Ihrem Onlinehandel den Großteil der deutschen Haushalte durch ein großes Logistiknetzwerk bedienen. Der bekannte Sinnspruch „Es spielt keine Rolle, woher du kommst. Alles, was zählt ist, wohin du gehst.“ trifft genau auf den Punkt, dass Erfolg für Unternehmen mit Fokus auf stationärem Handel langfristig nur durch Mut zu E-Commerce-Initiativen entstehen kann. Der Online-Shop von REWE kann hier als Paradebeispiel dienen, obwohl die REWE Group mit Ihrem Onlinehandel noch keine positiven Zahlen schreibt.
Um im E-Lebensmittelmarkt bestehen zu können, müssen Unternehmen drei zentrale Erfolgsfaktoren beherzigen: geringe Lieferdauer, niedriger Preis und lange Haltbarkeit. Erfüllt ein Unternehmen einen der Faktoren nicht, wird es zukünftig nicht bestehen.
Trend 4: „Verbraucher werden für das physische und psychische Wohlbefinden nachhaltiger konsumieren!“
„Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein.“ – Hippokrates, auch der „Vater der Medizin“ genannt, erkannte bereits in der Antike die Bedeutung von gesunder Nahrung. Auch neuerdings wird vor allem durch die weltweiten Megatrends Nachhaltigkeit und Gesundheit das öffentliche Bewusstsein für ökologische und gesundheitliche Folgen der Nahrungsmittelindustrie wieder völlig verändert und zunehmend Transparenz und Innovation von den Unternehmen eingefordert. Der Verbraucher wird vor allem nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen als zukünftiges Unterscheidungsmerkmal beim Kauf berücksichtigen und tief in seinem Bewusstsein das körperliche und seelische Wohlbefinden einbeziehen. Durch Energie- und Nachhaltigkeitsbilanzierung wird sich das Produktportfolio der Zukunft in Ökonomien mit hohen verfügbaren Einkommen eher zu gesunden Lebensmitteln hin orientieren und ungesunde Lebensmittel zum Teil verdrängen. Ein steigender Fokus auf Regionalität und regenerative Lebensmittelerzeugung fördern als maßgebende Treiber diesen Trend (Quelle: Zukunftsinstitut).
Das Unternehmen Oatly läutete den Markt für Hafergetränke schon vor fast 30 Jahren ein und verspricht seinen Kunden die Bereitstellung von Produkten mit maximalem Nährwert und minimaler Umweltbelastung. Oatly begegnet dabei dem Klimanotstand mit einer pflanzlichen Produktreihe aus Hafer und gestaltet so den nachhaltigen Lebensmittelmarkt aktiv mit. Dabei baut das Unternehmen auf die Werte Nachhaltigkeit, Gesundheit und Vertrauen. Am Beispiel Oatly wird vor allem der Wunsch nach gesundem und nachhaltigem Konsum verkörpert. Folgerichtig werden Unternehmen, wie in diesem Fall Oatly, die Umweltbelastungen minimalisieren, transparenter werden und die Gesundheit der Verbraucher berücksichtigen.
Trend 5: „Durch den demografischen Wandel ist die Verschiebung der globalen Lebensmittelnachfrage nicht aufzuhalten!“
Werfen wir zu guter Letzt noch einen Blick in die längerfristige Zukunft des Lebensmittelsektors. Der demografische Wandel wird hierbei bestimmend sein, da Bevölkerungsentwicklungen und verfügbare Einkommen das Konsumverhalten der Verbraucher festlegen. Mittel- bis langfristig werden asiatische Märkte die globale Lebensmittelnachfrage verschieben und die weltweite Verlagerung der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln in Wachstumsmärkte bewirken. Unternehmen werden über kurz- oder langfristig gezielte Vertriebs- und Standortstrategien für asiatische Wachstumsmärkte entwickeln und umsetzen müssen (Quelle: Rentokil).
Fazit
Für ein Bestehen im Lebensmittelmarkt der Zukunft sind zusammengefasst vier Gesichtspunkte entscheidend:
- Die digitale Transformation wird jeden Stein in der Wertschöpfungskette umdrehen und Verbraucher werden resiliente Lebensmittel-Lieferketten einfordern. Für die Unternehmen bedeutet dies, verstärkt digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und transparenter entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses zu werden.
- Beim Kauf von Lebensmitteln wird sich mittel- bis langfristig ein hohes Nachhaltigkeits- und Gesundheitsbewusstsein einpendeln und das Produktsortiment stark verändern. Unternehmen werden im Zuge dessen häufiger CO2-bilanzieren und mehrheitlich gesunde und nachhaltige Produkte herstellen, verarbeiten bzw. vertreiben müssen.
- Durch das Paradoxon – hoher Genuss und zeitgleich niedrige Preise – werden Handelsmarken den Verbraucher preislich und qualitativ überzeugen. Der Vertrieb von Lebensmitteln wird sich somit komplett wandeln. Dementsprechend wird es für Unternehmen darauf ankommen, effektive und zukunftsfähige Vertriebsstrategien zu entwickeln und umzusetzen.
- Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und höherer verfügbarer Einkommen werden sich langfristig die Lebensmittelmärkte auf asiatische Wachstumsmärkte verlagern. Somit wird es die Aufgabe der Unternehmen sein, über die nächsten Jahre gezielte Standortstrategien für diese Märkte zu entwickeln.