Die Vertriebskanalstrukturen von Unternehmen sind häufig eher historisch gewachsen als planvoll aufgebaut. Genauso sind die Preisstrukturen im Mehrkanalvertrieb meist nicht systematisch entstanden. Hier besteht bei vielen Unternehmen im B2B-Geschäft erheblicher Nachholbedarf: zum einen für die Durchsetzbarkeit von Ziel-Preisen, vor allem aber zur Erschließung von Marktpotenzialen.
Unstrukturierte Vertriebskanäle
Die meisten Unternehmen haben in der Vergangenheit neue Vertriebswege eher unsystematisch erschlossen. Neue Vertriebswege kamen manchmal geradezu durch die Hintertür. Viele Vertriebsmanager scheinen auch emotional eher an herkömmlichen Vertriebswegen zu hängen. So geben manche eher wehleidig zu, dass Amazon und eCommerce ja bedient werden müssten, auch wenn sie keine Unterstützungsleistungen für das Unternehmen stellen.
Was in solchen Diskussionen häufig übersehen wird ist, dass jeder Vertriebskanal einen eigenen Zielgruppen-Mix bedient. Wäre dem nicht so, würde es den Vertriebskanal nicht in der Form geben. Aus diesem Grund sollte ein Unternehmen genau prüfen, welche Marktpotenziale in den einzelnen Vertriebswegen liegen und mit welchen Mitteln diese Marktpotenziale zugänglich gemacht werden können.
Dazu gehört auch, das Preis- und Konditionensystem dahingehend zu prüfen. Da jeder Vertriebskanal einer eigenen Logik folgt, mit spezifischen Entscheidungsstrukturen und Wettbewerbssituationen, ist es wichtig, das Konditionensystem auch entsprechend auszugestalten. In der Praxis sieht man häufig, dass Unternehmen, die keiner klaren Vertriebsstrategie folgen, sich Konditionenelemente von Vertriebspartnern mehr oder weniger vorgeben lassen. Häufig geschieht das in den Anfängen einer Zusammenarbeit dadurch, dass die Bedeutung bzw. das Potenzial des neuen Vertriebskanals nicht voll erkannt wird. In Zusammenhang mit Amazon können viele Anbieter ein Lied davon singen.
Im Ergebnis haben Anbieter in B2B-Märkten häufig das Problem, dass ihre Produkte für den Endkunden in verschiedenen Vertriebskanälen signifikant verschiedene Preise aufweisen oder die Vertriebskanäle signifikant verschiedene Margen erzielen. Diese Unterschiede sind häufig nicht durch Leistungen oder Potenziale der Kanäle gerechtfertigt und auch nicht konform zu einer Kanalstrategie des Anbieters. Insbesondere wird die Situation schnell kompliziert, wenn sich Vertriebskanäle auch durch die Anzahl der Stufen in der Route-to-Market unterscheiden (bspw. hat der Fachhandelskanal häufig eine Stufe mehr als der Online-Handel). Über Kanäle hinweg unstrukturierte Preis- & Konditionensysteme führen letztlich zu unharmonisierten und somit nicht strategie-konformen Preisen in den Kanälen für nachgelagerte Kunden und schädigen den einheitlichen Markenauftritt.
Preisharmonisierung als Ziel
Anbieter sind gut beraten, die Preispolitik in verschiedenen Vertriebskanälen mit der übergeordneten Vertriebsstrategie in Einklang zu bringen. Zunächst sollte entschieden werden, welche Rolle die Vertriebskanäle für die Zielerreichung des Unternehmens spielen. Dabei ist zu bedenken, dass Vertriebskanäle nicht anhand ihrer aktuellen Bedeutung für Umsätze, Absätze oder Deckungsbeiträge gemessen werden sollten, sondern vielmehr an dem zugänglichen Potenzial, das sie heute und in Zukunft bieten. Es ist nicht zukunftsweisend, unbedacht auf Kanäle zu setzen, die in der Vergangenheit stark waren. Vielmehr gilt es, diejenigen als Partner zu gewinnen, die das stärkste Potenzial in der Zukunft haben.
Die eigentliche Preisharmonisierung beginnt bei der Formulierung des erwünschten Verhaltens. Jedes Unternehmen sollte sich im Rahmen der Vertriebs- bzw. Preisstrategie intensiv Gedanken machen, welches Verhalten von Kunden und Vertriebspartnern erwünscht wird. So kann es bspw. sinnvoll sein, einen Ausstellungsrabatt als Konditionenelement in die Preisstrategie einzubauen, wenn das Unternehmen Präsentationsfläche für die eigenen Produkte erreichen möchte. Ein Frühbucherrabatt kann dagegen angebracht sein, wenn in einem Markt eine starke Saisonalität vorherrscht und damit Wettbewerbsprodukte aus den Händlerlagern verdrängt werden können. Wie das erwünschte Kundenverhalten erreicht werden kann, wird in der Regel kanalspezifisch sein. Grundsätzlich können alle verfügbaren Elemente im Preiswasserfall genutzt werden.
Ziel der Preisharmonisierung über Kanäle ist es letztlich, das erwünschte Kundenverhalten zu erreichen und gleichzeitig eine Verlässlichkeit für Vertriebspartner zu erreichen. Konditionen sollten mit klaren Wenn-dann-Bedingungen versehen sein, die natürlich für alle Partner einer bestimmten Gruppe (Vertriebskanal) gleich sein sollten und Ist-Preise in bestimmten Preiskorridoren halten. Ist das ideal umgesetzt, kann sich ein Unternehmen eine hohe Preistransparenz zwischen Kanälen erlauben bzw. braucht diese nicht länger zu fürchten. Es ist jederzeit erklärbar, wie eine Preisdifferenz zustande kommt und inhaltlich ist sie konform zur (kommunizierten) Vertriebsstrategie. Da in den meisten Ländern der Welt Unternehmen die Verkaufspreise ihrer Vertriebspartner nur in sehr engen Grenzen mitbestimmen können, kann es selbstverständlich weiterhin zu erheblichen Preisunterschieden für Endkunden kommen. Das ist dann aber nicht mehr auf grundsätzlich verschiedene Konditionen zurückzuführen und insofern durch den Anbieter relativ leicht zu erklären.
Fazit
Im Rahmen der Formulierung einer zielführenden Vertriebsstrategie und einer entsprechenden Preisstrategie kommen Unternehmen in Mehrkanalsystemen nicht umhin, sich mit dem Thema der Preisharmonisierung zu beschäftigen. Erwünschtes Verhalten von Vertriebskanälen und Endkunden ist zu definieren und die Rabatt- und Bonuselemente des Preiswasserfalls entsprechend auszugestalten. Nur durch aktives Management und den Einsatz eines intelligenten Preis- und Konditionensystems lassen sich die Marktpotenziale verschiedener Vertriebskanäle nutzen und gleichzeitig die Gefahr von Kannibalisierung zwischen Vertriebskanälen eindämmen.
Preisharmonisierung ist ein sehr unternehmensspezifisches Thema. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme, um Ihre spezifische Situation und Herausforderungen in Bezug auf Kanalstrategie und Harmonisierung zu diskutieren.