Die Kosten müssen kurzfristig runter! Wir erleben gerade eine sehr herausfordernde Zeit in den meisten Unternehmen. Auch wenn das nicht der nächste Beitrag zu Krisensituation(en) und deren häufig schwerwiegenden Auswirkungen auf Familienunternehmen werden soll, eines wird gerade jetzt deutlich: Viele Unternehmen haben kaum Erfahrung damit, nach vielen Jahren des profitablen Wachstums mit einer Gemengelage der Ungewissheit, der Knappheit und deutlich sinkender Erträge umgehen zu müssen.
Wie sieht die Reaktion aus? Die Kosten müssen runter (fast schon um jeden Preis)! Das ist die Devise, der sich momentan viele mittelständische Unternehmen verschrieben haben. Natürlich ist das stark geprägt durch aktuell steigende bzw. eher explodierende Energie- und Logistikkosten sowie zunehmend schwierige Materialverfügbarkeiten und steigende Materialaufwandsquoten. Einstellungstopp, Stopp bestimmter (vielleicht extern begleiteter) Projekte, ein harter Schnitt in die Marketingaufwendungen, weitreichender Investitionstopp – das sind schnelle Ansätze und Maßnahmen, die kurzfristig Liquidität schaffen oder zumindest schonen sollen.
Die Zukunft aber trotzdem nicht „aussetzen“
Einen weiteren Sachverhalt erleben wir auch immer wieder: voller Fokus auf das Tagesgeschäft (das ist auf den ersten Blick auch nachvollziehbar), aber bei gleichzeitigem Aussetzen oder massivem Zurückfahren der strategischen Arbeit am Unternehmen. Eine Auswirkung ist, dass viele Unternehmen in einer echten Komplexitätsfalle stecken. Das treffen wir vor allem dort an, wo die Organisation nicht ausreichend auf das Unternehmensziel ausgerichtet ist. Zum Beispiel beim Verkaufsleiter, der für die Kundenzufriedenheit verantwortlich ist, aber keinen Einfluss auf die Liefertreue und die Qualität hat. Oder beim Produktmanager, der für die erfolgreiche Markteinführung verantwortlich ist, aber weder für die Entwicklung noch für die internen und externen Zulieferer oder die eigene Vertriebslogistik zuständig ist.
Bestehen organisatorische Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten zum Unternehmensziel, werden umso mehr Koordinationsmechanismen notwendig. Damit steigen Komplexität und Gesamtaufwand, gerade in Wachstumsphasen. Ist der Kunde dafür bereit zu bezahlen? Die Antwort liegt, so denken wir, auf der Hand. Was jedoch häufig in der Praxis passiert: es gibt Management auf Zuruf, vorgesehene Wege werden übersteuert. Aber eine wirklich Neustrukturierung findet nicht statt, weil man ja das ohnehin schon angespannte Tagesgeschäft nicht gefährden und auch die ohnehin schon überlasteten Mitarbeiter nicht zusätzlich mit weiteren Aufgaben belegen möchte.
Eine Folge ist sicher auch, dass gerade in oder nach Wachstumsphasen die Overheadbereiche, die indirekten Funktionen, überproportional anwachsen. Damit nimmt natürlich der Anteil der nicht direkt wertschöpfenden Tätigkeiten massiv zu und Profitabilität sowie am Ende auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leiden. Umgekehrt fällt es dann aber in Phasen des Schrumpfens umso schwerer, die Overheadstrukturen im gleichen Maße wieder zurückzufahren, wie sie aufgebaut wurden. Hier ist meistens schon ein linearer Weg äußerst anspruchsvoll.
Operative Exzellenz
Aus unserer Sicht muss es daher immer darum gehen, KEIN Potential für eine profitable Weiterentwicklung des Unternehmens zu verschwenden – und zwar sowohl auf klassisch operativer Ebene als auch auf strategischer Ebene. Das ist für uns operative Exzellenz. Das Kerngeschäft effizient und am Kunden ausgerichtet gestalten („Run the Business“) und simultan die strategische Weiterentwicklung ins Wirken bringen („Change the Business“), eben operativ bearbeiten.
Die Weiterentwicklung von Organisationen hört nie auf
Dazu sind Fähigkeiten erforderlich, für die es sicherlich in vielen Unternehmen Nachholbedarf gibt. Diese „Beidhändigkeit“ für kurzfristig wirksame (Kosten-)Optimierung und langfristige Unternehmensentwicklung ist zentral für die Zukunftsfähigkeit in unsicheren Zeiten. Beide Hände müssen in der Balance sein. Unternehmen müssen mit beiden Händen gleichermaßen geschickt sein. Beide Hände brauchen daher eine ähnliche Aufmerksamkeit. Eine solche Balance lässt sich nicht einfach über Nacht top-down implementieren. Ein tiefgreifender Wandel, die Transformation des Unternehmens auf mehreren Ebenen, ist erforderlich.
Kurzfristige Wirksamkeit
„Klassische“ Maßnahmen zur Steigerung der operativen Exzellenz entfalten vielfach binnen kurzer Zeit erste Wirksamkeiten. Beispielhaft sind geringere Durchlaufzeiten sowie eine Reduzierung direkter, wie indirekter Kosten zu nennen. Die Analyse und Quantifizierung von Werttreibern und Potenzialen im Wertschöpfungssystem (direkte und indirekte Bereiche) auf Basis der Unternehmensziele oder wesentlicher Herausforderungen bildet die Grundlage für die Bewertung und Optimierung betrieblicher Prozesse. End to end gedacht. Vom Kunden zum Kunden. Mit dem Fokus auf die Wertschöpfung. Die Aufgaben und Aktivitäten auch organisatorisch zusammenbringen, die im Ablauf zusammengehören, um Reibungsverluste, häufiges Springen der Abläufe über Abteilungsgrenzen hinweg und am Ende Verschwendung zu vermeiden.
Ein klassisches Beispiel für einen solchen übergreifenden Prozess ist sicherlich der Auftragsdurchlauf – vom Angebot bis zur Auslieferung und Fakturierung an den Kunden. Viele Abteilungen in der klassisch funktionalen Organisation sind beteiligt, viel Koordination ist notwendig und die Quellen für Fehler und Verschwendung sind zahlreich. Wofür ist der Kunde aber wirklich bereit zu bezahlen?
Die Aufnahme von Ist-Prozessen verdeutlicht deren Qualität und macht Schwachstellen sichtbar. Die Gestaltung von Soll-Prozessen – unter Beteiligung relevanter Fachbereiche bzw. Verantwortlicher – stellt die Basis für eindeutige Handlungs- und Entscheidungsrahmen dar und trägt maßgeblich zum Abbau von Schnittstellenproblemen sowie zur Steigerung der Prozesseffizienz bei. Hier lassen sich natürlich auch die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und Abläufe, vor allem stark repetitive Routineabläufe, automatisieren und vieles mehr. Im Rahmen der Working Capital-Optimierung gilt es unter anderem, Lagerbestände auf ein erforderliches Minimum zu reduzieren. Von diesem Grundsatz muss derzeit aber vor dem Hintergrund erschwerter Warenverfügbarkeit und stetig steigender Preise für z.B. Energie, Stahl, Holz etc. zumindest zum Teil Abstand genommen werden. Ein schmaler Grat, für den ein zuverlässiges Zahlenwerk und laufend erhobene Kennzahlen essenziell sind.
Langfristige Transformation
Natürlich wird man in Zeiten der Krise das Hauptaugenmerk auf kurz-/mittelfristige Aspekte legen. Trotz dessen müssen Unternehmer aus unserer Sicht auch den Blick weiter nach vorne richten, um nicht nach der gelungenen Kostensenkung und kurzfristigen Ergebnissicherung vor einem strategischen Scherbenhaufen verlorener Wettbewerbsvorteile zu stehen. In der Austauschbarkeit mit dem Wettbewerb gelingt es selten, Renditen dauerhaft zu steigern.
Als einen der größten Hebel für den Umsetzungserfolg auch strategischer Maßnahmen und Initiativen sehen wir deshalb darin, den „großen Elefanten“ der Strategie in Scheiben zu schneiden – inhaltlich und zeitlich. Es geht um Priorisierung und einen klaren Fokus: lieber wenige Themen mit spürbarem Hebel als viele Themen, die im Sand verlaufen. Es geht aber hier gar nicht nur um die Relevanz der unterschiedlichen Themen. Es geht darum, gemeinsam im Führungsteam zu entscheiden, „was jetzt dran ist“. Jedes "Ja" zu einer Idee erfordert ein "Nein" zu einer oder mehreren anderen. Ressourcen müssen auf wenige Prioritäten konzentriert werden. Dies bedeutet auch andere Bemühungen bewusst hintenanzustellen. Konkret heißt das: Was ist wirklich dran (auch in einer Situation hohen Ergebnisdrucks), um dem langfristigen Ziel ein messbares Stück näher zu kommen? Worauf richten wir den Scheinwerfer? Und von welchen Themen nehmen wir den Scheinwerfer ein Stück weg? Wie sehen also Vorfahrtsregeln aus? Dazu braucht es einen (agilen) Steuerungsprozess, klare Rollen und Verantwortlichkeiten und vor allem das Commitment der Führungsmannschaft. Dann kann die Transformation gelingen.
Für beide Stränge, die kurzfristige Ergebnissicherung und die langfristige Unternehmensentwicklung, ist eine transparente Informationsbasis unabdingbar. Eine integrierte (auch mittel-/langfristige) Unternehmensplanung, die monatliche Erhebung und Analyse von (wenigen) relevanten Kennzahlen und Plan-Ist-Abweichungen sowie die regelmäßige unterjährige Erarbeitung von Forecasts durch das Controlling schaffen eben diese erforderliche Transparenz.
Fazit
Gute Konzepte dürfen auch schon ein paar Jahre alt sein, auch wenn das häufig den Reflex auslöst: „Das ist doch wieder nur alter Wein in neuen Schläuchen!“ Das Konzept bzw. die Denkhaltung der operativen Exzellenz ist ein solches Beispiel. Der Denkansatz war schon vor vielen Jahrzehnten richtig und ist es immer noch. Die Anforderungen an die Geschwindigkeit der Anpassung, an das simultane Bearbeiten kurzfristiger Wirkungen und langfristiger Ausrichtung haben sich allerdings stark verändert. Erfolgreiche Transformation setzt also ein Höchstmaß an operativer Exzellenz voraus – auf mehreren Ebenen. Sie ist eine interdisziplinäre und zugleich nie endende Aufgabe aller Fachbereiche. Gleichermaßen bieten sich für Familienunternehmen, die diese Beidhändigkeit beherrschen, erhebliche Möglichkeiten, sich nicht nur durch die Krise zu manövrieren, sondern das Unternehmen dann aus der Position der Stärke in die Zukunft zu führen.